DOMRADIO.DE: Ein Wallfahrtsort, der im Jahr so viele Gläubige empfängt und dann plötzlich so leer ist - wie war das in den vergangenen Wochen für Sie?
Pfarrer Klaus Holzamer (Seelsorger für die deutschsprachigen Pilger in Lourdes): Das ist schon eine große, gewaltige Umstellung gewesen. Wir waren ja bis in der vergangenen Woche in einer strikten Abgeschlossenheit. Dadurch konnte auch normalerweise niemand hier zur Wallfahrtstätte kommen. Auch Menschen aus der Region und selbst aus der Gemeinde in Lourdes war es nicht möglich, hier den Ort zu betreten.
Für uns war das eine Gelegenheit, an der Grotte zu beten und damit auch in Kontakt mit den Gläubigen in Deutschland zu stehen. Um neun Uhr morgens beten wir den sogenannten spirituellen Rosenkranz. Das heißt, das Gebet vor der Grotte wird nach Deutschland übertragen. Ganz im Sinne der Heiligen Bernadette, die von sich gesagt hat, dass sie jeden Tag im Geiste zur Grotte gepilgert sei.
DOMRADIO.DE: Das heißt, es war auch für Sie eine komplett andere Arbeit. Es wurde gebetet und alles im Live-Stream übertragen, aber mit Menschen hatten Sie ja dann doch relativ wenig Kontakt?
Holzamer: Ja, das stimmt schon. Der Kontakt ergibt sich dann aus Rückmeldungen, aus E-Mails und aus Telefonaten. Das war schon der Fall. Das ist aber natürlich nicht zu vergleichen mit der persönlichen Begegnung vor Ort. Das fehlt gänzlich in diesem Jahr - bislang für uns Deutsche ohnehin noch.
DOMRADIO.DE: Der Glaube und vor allem Wallfahrten sind gerade in Zeiten der Not für viele Menschen ein Rettungsanker. Auch hier im Erzbistum Köln gibt es eine große Pilgergruppe, die gemeinsam mit unserem Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki nach Lourdes reisen wollte. Das alles ist nun nicht möglich. Was bedeutet es für die Gläubigen, dass sie jetzt nicht nach Lourdes kommen konnten und können - ausgerechnet in diesem Marienmonat?
Holzamer: Es kommt ja für den deutschen Lourdes Verein Köln noch hinzu, dass dieser Verein - der älteste übrigens in Deutschland - sein 140-jähriges Jubiläum als Lourdes Verein feiert. Und das ist besonders bedauerlich, dass die Gruppen nicht kommen können. Es sind in Begleitung einer so großen Pilgerfahrt immer auch Kranke dabei, die hier umsorgt werden, die in den Krankenherbergen unterkommen sowie viele Pfleger, die sich schon unterwegs um sie kümmern.
Es ist eigentlich eine fantastische Erfahrung, mit dem Zug unterwegs zu sein, so wird es immer wieder gesagt. Wir hätten auch eine Flugwallfahrt begleitet. Von daher ist dieses Gemeinschaftserlebnis, das gemeinsame Unterwegssein in diesem Jahr leider bislang nicht möglich. Es wird noch einige Zeit dauern, auch wenn leichte Lockerungen schon am Horizont stehen.
DOMRADIO.DE: Seit einer Woche dürfen Sie unter strengen Auflagen wieder langsam öffnen. Viele Ihrer Besucher sind ältere und erkrankte Menschen, da dem Wasser eine heilende Wirkung zugeschrieben wird. Für die ist die Ansteckung mit Corona aber besonders gefährlich. Wie organisieren Sie das jetzt vor Ort?
Holzamer: Zunächst mal sind die rigorosen Abstandsregeln einzuhalten. Jeder muss eine Maske tragen. Es wird momentan nur eine begrenzte Anzahl von Gläubigen zu einer bestimmten Zeit aufgenommen. Da wir auf den Umkreis von 100 Kilometer vom Wohnort in unserem Departement beschränkt sind, sind die Besuchsmöglichkeiten etwas eingeschränkt. Da genügt der Nachmittag als Besuchszeit. Von daher verteilt sich das auf den riesigen Gelände sehr gut.
Es werden in diesem Jahr definitiv keine Krankenherbergen geöffnet werden. Und auch die Bäder werden das ganze Jahr über geschlossen bleiben. Aber man darf sich natürlich von Lourdes das Wasser mitnehmen. Und man darf wahrscheinlich in Bälde, wenn die Restriktionen etwas gelockert werden, "Gesten des Wassers" durchführen. Das wird ein Trost für viele unserer Pilger sein.
Wir wissen natürlich bislang nicht, wie es nach dem 2. Juli in Frankreich mit Lockerungen aussieht, geschweige denn mit Möglichkeiten, von Deutschland her überhaupt nach Frankreich einreisen zu können.
DOMRADIO.DE: Noch ist also überhaupt nicht klar, wann es wieder einen Regelbetrieb geben wird?
Holzamer: Wir fahren, wie unser Rektor, sagt "auf Sicht". Man kann zwar spekulieren, aber wir wissen ja nicht, wie die Entwicklung eigentlich weitergeht. Die Entwicklung in Frankreich ist im Allgemeinen sehr positiv. Es gibt im Bereich Paris und an der Grenze zu Deutschland bis Belgien hoch noch rote Zonen mit einer sehr strengen Ausgangsbeschränkung.
Wir rechnen zunächst einmal damit, dass ab nächstem Montag nach Pfingsten die Beschränkungen auf 100 Kilometer Entfernung vom Wohnort etwas gelockert wird. Das gibt dann den einzelnen Pilgerfahrten in grünen Departements und Bereichen in Frankreich die Möglichkeit, zumindest in Stellvertretung hierher zu kommen. Das ist auch momentan der Plan, dass kleine Gruppen stellvertretend gemeinsam mit ihrem Bischof anreisen.