Dienstagabend, zwanzig nach sechs: Normalerweise würde sich jetzt die Kapelle des Bonner Mentorats für Theologiestudierende füllen, das in der Bonner Innenstadt in direkter Nachbarschaft zur Universität liegt. Jeden Dienstag im Semester finden hier Gottesdienste und Themenabende für die Studierenden statt. Aber statt der Kapelle füllt sich nun eine Videokonferenzraum.
Als mit Veröffentlichung der Kontaktbegrenzungen klar war, dass auf absehbare Zeit keine physischen Treffen stattfinden können würden, wollten die Mentorinnen Susanne Moll und Marion Lammering eine Alternative schaffen. "Das Ziel war und ist, unserem Begleitungsauftrag der Bistümer Köln und Aachen für alle Theologiestudierenden in Bonn auch, bzw. gerade in dieser besonderen Situation nachzukommen", erklärt Susanne Moll. Die Aachener Pastoralreferentin und Mentorin, die selbst in Bonn studiert hat, ist schon seit vielen Jahren im Bonner Mentorat Ansprechpartnerin für die Studierenden.
Mentorat @Home
Daraus entstanden ist die Idee des "Mentorat @Home". Jeden Dienstagabend treffen sich Mentorinnen, Studierende und Gäste jetzt digital statt in den Räumen des Mentorats: sowohl zum Themenabend als auch zum Wortgottesdienst, den mal die Mentorinnen vorbereiten, mal Studierende aus dem Mentorats-Team und mal Mentor und Pfarrer Regamy Thillainathan, der dafür oft extra in die Kapelle des Mentorats geht. So können die Studierenden "ihre" Kapelle immerhin sehen.
"Dass gerade bei den Gottesdiensten so viele Leute dabei sind, zeigt mir eine große Sehnsucht nach Spiritualität in Gemeinschaft", stellt die Kölner Mentorin Marion Lammering fest, die seit einem knappen Jahr im Bonner Mentorat tätig ist. "Denn in der Art und Weise, wie wir die Gottesdienste feiern, kann Gemeinschaft entstehen, anstatt dass wir Liturgie einfach 'konsumieren'." So fehle zwar die vertraute Umgebung, aber die vertrauten Gesichter seien da.
Angesichts der Situation mussten die Mentorinnen und das Mentorats-Team, das zurzeit aus sieben Studierenden besteht, einige Abende umplanen. An Themen mangelt es nicht, die aktuelle Situation bietet genügend Anlässe.
So haben die Studierenden bereits mit ihrem Professor für Moraltheologie, Prof. Sautermeister, über die Relevanz der Theologie angesichts der Corona-Krise gesprochen und über Gottesdienstverbote und medienethische Fragen diskutiert. Aber auch ein bereits geplanter ökumenischer Abend mit dem altkatholischen Bischof in Deutschland, Dr. Matthias Ring, konnte digital realisiert werden, ebenso ein Abend zum Thema "Berufsaussichten mit Theologie", der jedes Semester auf dem Programm steht.
Neue Ideen und Herausforderungen
Natürlich können nicht alle Abende wie geplant stattfinden. Während das Programm für das nächste Semester im Normalfall bereits Wochen vorher feststeht, muss jetzt kurzfristig geplant werden. "Anfangs war es schwierig, weit in die Zukunft zu planen, weil wir einfach nicht wussten, wie lange die Beschränkungen gelten", so Lammering. Aber auch jetzt, wo viele Beschränkungen bereits wieder gelockert wurden, bleibe es erst einmal bei dem digitalen Programm. "Wir möchten weder vor Ort Menschen gefährden, noch Studierende, die nicht in Bonn sind oder sein können, ausschließen", erklärt Moll. Die Räumlichkeiten des Mentorats seien zudem unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen nicht sinnvoll nutzbar, da sich nur wenige Menschen dort treffen könnten.
Neben der Tatsache, dass einige Abende nicht wie geplant stattfinden können, gibt es auch ganz andere Herausforderungen, die nicht vorhersehbar waren. "Videotreffen sind auf eine andere Art anstrengend als physische Treffen in der Kohlenstoffwelt", findet Moll. "Manchmal hat man, besonders seitdem der Uni-Betrieb wieder läuft, am Abend auch einfach genug davon."
Mehr Teilnehmende und reger Austausch
Hat das digitale Format denn auch Vorteile gegenüber den üblichen Abenden? "Auf jeden Fall", meint Marion Lammering. "Leute, die weiter weg wohnen und die wir vielleicht sonst nie erreicht hätten, können teilnehmen. Wir haben also einen ganz anderen Wirkungskreis – und eine gestiegene Teilnehmerzahl. Denn unsere Themen sind aktuell und es gibt nur wenige Freizeitbeschäftigungen, mit denen wir momentan konkurrieren."
Außerdem ist das Angebot breiter geworden: neben den Dienstagabenden und der Möglichkeit zu Einzelgesprächen via Videochat können die Studierenden sich montags zum Start in die Woche treffen und donnerstags zusammen mittagessen – eben digital und "um den ansonsten zufälligen Begegnungen und Kaffees auf dem Flur des Mentorats und dem Smalltalk unter den Studierenden zwischen den Uni-Veranstaltungen Raum zu geben", so Susanne Moll.
Die Studierenden schätzen es, dass sie sich weiterhin austauschen können, nicht nur über die Herausforderungen des Alltags: "Ich finde es gut, dass das Mentorat während der Corona-Krise online stattfindet und verschiedene Formate anbietet, da man dadurch seinen Glauben weiterhin mit dem bekannten Mentorats-Umfeld leben kann", sagt Monika Hermanns. Die 22-Jährige studiert im vierten Semester und engagiert sich seit etwa einem Jahr im Mentorats-Team.
Und nicht nur bei den Bonner Theologiestudierenden kommt das Format gut an: Mentorinnen und Mentoren aus anderen Bistümern waren begeistert von der Idee und haben bereits in Veranstaltungen hospitiert, um vielleicht Ähnliches auf die Beine stellen zu können.
Wunsch nach gemeinsamem Semesterabschluss im Freien
Am Ende bleibt die Frage, wie es weitergehen wird – nicht nur im nächsten Semester, sondern auch dann, wenn alle Beschränkungen eines Tages wieder aufgehoben werden. "Es finden digitale Angebote Anklang, die im analogen Alltag zu aufwendig wären", meint Lammering.
"Wir werden sicher auch über die Zeit der Corona-Pandemie hinaus noch einmal überlegen müssen, wie wir unsere digitale Präsenz gestalten können." Moll hat jedenfalls einen Wunsch für die nächste Zeit: "Ein Traum wäre, wenn sich die Situation der Kontaktsperren noch weiter entspannen sollte, einen gemeinsamen Semesterabschluss im Freien zu feiern."