"Der Papst kommt nach Hause". Mit dieser Schlagzeile überraschte Benedikt XVI. am Donnerstag die Öffentlichkeit. Dass es sich nicht um den aktuellen Amtsinhaber, sondern den ehemaligen handelte, und dass die Reise als rein privat deklariert wurde, tat der Aufmerksamkeit keinen Abbruch. Wobei privat angesichts der Prominenz des Reisenden ein relativer Begriff ist. Das zeigte bereits die Anwesenheit des bayerischen Staatskanzleichefs Florian Herrmann (CSU) bei der Landung des Landsmanns mit einer Maschine der italienischen Luftwaffe auf dem Franz-Josef-Strauß-Flughafen.
Der letzte Besuch des früheren Kirchenoberhaupts in Bayern liegt 14 Jahre zurück. An sich war überhaupt nicht mehr damit zu rechnen, dass Joseph Ratzinger noch einmal seinen Altersruhesitz im Vatikan verlassen würde. Seine zunehmende körperliche Gebrechlichkeit ist schon länger kein Geheimnis mehr. Viel Zeit verbringt er inzwischen im Rollstuhl. Deswegen war die Reise an sich schon eine Sensation.
Warum kam Benedikt nach Hause?
Zwangsläufig schossen die Spekulationen ins Kraut, warum der 93-Jährige diese Strapaze auf sich nimmt. Dann müsse es um seinen drei Jahre älteren Bruder Georg wirklich schlimm stehen. Doch die Mutmaßung, dieser liege bereits im Sterben, erwies sich als voreilig, auch wenn alles darauf hindeutet, dass der Gesundheitszustand des früheren Regensburger Domkapellmeisters Georg Ratzinger ernst ist.
Die Ratzingers sind Familienmenschen. Und weil das auch für Papst Franziskus gilt, war es folgerichtig, dass er seinem Vorgänger diesen Ausflug ans Krankenlager seines letzten engen Verwandten bereitwillig gestattete.
So viel Zeit wie möglich zusammen
In Regensburg hatten die Gebrüder Ratzinger gemeinsam ihren Lebensabend verbringen wollen, das Grab der Eltern 1974 eigens von Traunstein dorthin umziehen lassen. Auch später noch, als der Theologieprofessor längst zum Münchner Erzbischof und dann zum Glaubenspräfekten in Rom befördert worden war, hielten sie daran fest. Die Pläne zerschlugen sich erst mit der Papstwahl des Jüngeren im Jahr 2005.
Streng abgeschirmt von der Polizei ließ sich Benedikt XVI. in den vergangenen Tagen jeweils vormittags und am späteren Nachmittag für einige Stunden von seinem Quartier im Regensburger Priesterseminar durch die Altstadt in das Haus seines Bruders in der Luzengasse eskortieren. Es galt, unter Aufbietung aller Kräfte so viel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen - auch im Gebet und bei der Feier der Messe.
Georg sei wach, Gespräche seien nur noch eingeschränkt möglich, aber was zähle, sei einfach das Zusammensein, hieß es aus Bistumskreisen. Und dass dies für beide geradezu ein Lebenselixier sei.
Gerüchte über Umzug von Rom nach Bayern
Eine zweite Spekulation machte die Runde, je länger Benedikts Visite am bayerischen Donauknie dauerte: Vielleicht zieht er ja gleich ganz um. Das, versicherte Bistumssprecher Clemens Neck der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Sonntag, sei aber "nie ein Thema" gewesen. Es sei nur darum gegangen, ob der Besuch drei oder fünf Tage oder zwei Wochen dauere.
Benedikt nutzte seinen Aufenthalt auch für einige Ausflüge an Orte, die ihm sehr viel bedeuten: das Familiengrab auf dem Ziegetsdorfer Friedhof, in dem auch seine ältere Schwester liegt, und sein früheres Wohnhaus im Vorort Pentling, das vom Institut Papst Benedikt XVI. inzwischen behutsam zu einer Stätte der Begegnung und Dokumentation umgestaltet worden ist.
Wann gibt es ein Wiedersehen?
All diese Stationen hatte der 93-Jährige schon 2006 absolviert, in der vermeintlichen Gewissheit eines Abschieds für immer. War's das jetzt also endgültig? "Schaun mer mal", würde "Kaiser" Franz Beckenbauer wohl sagen.
Bis zum vergangenen Jahr hatte sich regelmäßig Georg Ratzinger nach Rom auf den Weg gemacht. Dass ihm dies noch einmal möglich sein wird, lässt sich wohl ausschließen. Wie viel Zeit den beiden hochbetagten Brüdern auf dieser Erde noch bleibt, weiß niemand. Klar ist nur: Wollen sie sich treffen, muss sich nun Benedikt XVI. in Bewegung setzen. Und der weiß jetzt: Es geht.