Wer alte Bauernkalender studiert, der kommt um den Johannistag nicht herum. "Vor dem Johannistag man Gerst' und Hafer nicht loben mag", heißt es da etwa. Oder auch: "Vor Johanni bitt' um Regen, später kommt er ungelegen." Bis heute wird genau dann, am 24. Juni nämlich, der letzte Spargel gestochen. Und auch die Rhabarber-Ernte endet an diesem Tag.
Dass die Kirche Ende Juni Johannes' des Täufers gedenkt, hat letztlich vor allem mit Arithmetik zu tun, erklärt Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti. "Weil Jesu Empfängnis im 4. Jahrhundert auf den 25. März terminiert wurde und das Weihnachtsfest infolgedessen auf den 25. Dezember, ließ sich auch die Geburt des Johannes entsprechend festlegen." Denn Johannes' Mutter Elisabeth war - so steht es beim Evangelisten Lukas - im sechsten Monat schwanger, als der Erzengel Gabriel Maria besuchte.
Nähe zur Sommersonnwende
Mit dieser Festlegung aber rückte der Johannistag in die unmittelbare Nähe der Sommersonnwende, die schon in heidnischen Zeiten als bedeutendes Datum gefeiert wurde. Die Germanen etwa glaubten, dass Göttervater Odin an diesem Tag auf die Erde herabsteigen und sie segnen würde.
"Das ließ sich natürlich leicht ins Christliche umdeuten", erläutert Becker-Huberti. Nicht Odin, sondern Christus war jetzt das Licht, das die Welt erleuchtet. Und Johannes, sein Cousin und Vorgänger, war gleichsam der Lichtbringer, der die Menschen auf die Ankunft des Erlösers vorbereitet.
So war es auch ganz einfach, die Lichtsymbolik der Sonnwendfeiern kurzerhand auf den Johannistag zu übertragen. Statt Sonnwend- werden nun Johannisfeuer entzündet, um die kurze Juninacht zu erleuchten.
Mancherorts rollt man Feuerräder vom Berg ins Tal, die zurückgebliebene Asche wird anderntags auf die Felder verstreut.
Brunnenfeste erfreuen sich rund um den Johannistag ebenfalls großer Beliebtheit. Schließlich hat Johannes vor dem öffentlichen Auftreten seines Cousins zahllose Menschen im Jordan getauft. Und auch Jesus selbst hat sich von ihm in die Fluten tauchen lassen.
Ausgeprägtes Brauchtum im Oberharz
Besonders ausgeprägt ist das Johannesbrauchtum im Oberharz. Dort werden grüne Fichten mit Wiesenblumen, Eierketten und Kreppbändern bunt geschmückt. Kinder tanzen schon nachmittags um diese Johannibäume, am Abend feiern dann die Erwachsenen entsprechend ausgelassen.
Auch in der Natur hat der Johannistag seine Spuren hinterlassen. Das Johanniskraut etwa trägt diesen Namen, weil es rund um den Gedenktag blüht, die Johannisbeere, weil sie in dieser Zeit reif wird.
Glühwürmchen, die ab Ende Juni ihre Leuchtkraft entfalten, werden auch Johanniskäfer genannt.
Eine besondere Bewandtnis hat es mit dem Johannistrieb. In der Botanik ist damit ein zweiter Blattaustrieb gemeint, den einige Gehölze und Laubbäume rund um den Johannistag entwickeln. Im übertragenen Sinne findet dieser Begriff auch auf Herren Anwendung, die sich in fortgeschrittenem Alter noch einmal auf Brautschau begeben.
Längst vergessene Bräuche
Viele Johannisbräuche aber sind heute längst vergessen. Etwa das stille Bad in der Johannisnacht, von dem vermeintlich eine besondere Schutzwirkung ausgeht. Oder das Binden eines Johannisstraußes aus Wildkräutern, der - unters Kopfkissen gelegt - das Liebesglück erhalten sollte. Auch dem Johannistau wird heute keine heilende Wirkung mehr beigemessen.
Apropos heilende Wirkung: An eine entsprechende kirchliche Tradition vergangener Zeiten erinnert Brauchtumsforscher Becker-Huberti: "Früher hatten viele Kirchen eine sogenannte Johannisschüssel in ihrem Besitz - eine Silberschale mit einer Darstellung des abgeschlagenen Johanniskopfes." Ein Segen mit dieser Schale sollte Kopfschmerzen heilen - vielleicht ein Tipp für den Morgen nach dem ausgelassenen Johannesbrauchtum im Oberharz.