Bischöfe und Gewerkschaften gehen auf die Barrikaden

Bolsonaro in der Kritik

Eine Gruppe aus 152 Bischöfen, Erzbischöfen und emeritierten Bischöfen aus Brasilien wirft Präsident Bolsonaro und seiner Regierung Unfähigkeit vor. Die Gewerkschaften haben Bolsonaro unterdessen vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt.

Jair Bolsonaro / © Eraldo Peres (dpa)
Jair Bolsonaro / © Eraldo Peres ( dpa )

Brasilien erlebe wegen der Pandemie und der schweren Wirtschaftskrise mit ihren sozialen Folgen einen der schwierigsten Momente seiner Geschichte, so der unter anderem von Kardinal Claudio Hummes (85) und dem emeritierten Amazonas-Bischof Erwin Kräutler unterzeichnete Brief.

Der als "Brief an das Volk Gottes" (Carta ao Povo de Deus) betitelte Text bezeichnet die aktuelle Krise als "perfekten Sturm", für den zum großen Teil Bolsonaro verantwortlich sei. Brasilien sei ohnehin schon eine ungleiche, ungerechte und gewalttätige Gesellschaft. "Diese Realität lässt keine Gleichgültigkeit zu." Die Regierung sei jedoch untätig und lasse zu, dass Holzfäller, Goldsucher und Landwirte der Natur und neoliberale Wirtschaftsführer den Ärmsten schwere Wunden zufügten.

Regierung sei gleichgültig gegenüber Tausenden von Toten

Zudem klagen die Kirchenvertreter die Covid-19-Politik der Regierung an: "Wir müssen den wissenschaftsfeindlichen Diskurs miterleben, der die Tausenden von Toten als etwas Normales erscheinen lassen will, so als ob sie das Ergebnis eines Zufalls seien oder einer göttlichen Strafe." Ebenso gleichgültig sei die Regierung gegenüber dem daraus folgenden wirtschaftlichen und sozialen Chaos. Ihr gehe es alleine um den Machterhalt.

Seit Beginn der Pandemie, die in Brasilien bereits nahezu 90.000 Todesopfer gefordert hat, hatte Bolsonaro das Virus als "kleine Grippe" und die Maßnahmen zur Bekämpfung als "Hysterie" bezeichnet.

"Dieser Diskurs basiert nicht auf ethischen oder moralischen Grundsätzen", so die Kirchenvertreter. Die von der Regierung eingeleiteten Wirtschaftsreformen würden zudem einen Neoliberalismus einführen wollen, der lediglich eine kleine Gruppe Mächtiger diene und der großen Menge der Bevölkerung schade. Die Wirtschaftspolitik "töte" mit ihrem Fokus auf "Gewinn um jeden Preis".

Bolsonaro missbrauche Religion, um Hass zu säen

In dem Brief heißt es weiter: "Ebenso erschüttert uns die Abneigung (der Regierung) gegenüber der Bildung, der Kultur, dem Gesundheitssystem und der Diplomatie." Die Regierung habe sich die Bildung und Kultur als Gegner ausgesucht, und genauso lehne sie die Presse- und Meinungsfreiheit ab. Zudem missbrauche die Regierung die Religion, um Hass zu säen und die Gesellschaft zu spalten.

Die Kritik der Kirchenvertreter sollte ursprünglich am vergangenen Mittwoch von der Bischofskonferenz veröffentlicht werden, wurde von dieser jedoch angeblich zur inhaltlichen Analyse zurückgehalten. Am Samstag veröffentlichte eine Journalistin der Zeitung "Folha de S. Paulo" den Inhalt des Briefes. Einige der Unterzeichner hätten befürchtet, dass der konservative Flügel der Bischofskonferenz den Brief schlicht nicht veröffentlichen wolle, hieß es dazu.

Anzeige gegen Bolsonaro vor dem Strafgerichtshof in Den Haag

Brasilianische Gewerkschaften haben unterdessen Präsident Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Menschenrechtsverbrechen während der Corona-Pandemie angezeigt. Sie werfen ihm vor, Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in der Pandemie unterlassen zu haben und damit mitverantwortlich für den Tod von Zehntausenden Menschen zu sein, wie die Tageszeitung "Estado de São Paulo" am Sonntagabend (Ortszeit) berichtete. Dieses unverantwortliche Verhalten verstoße gegen die Richtlinien der internationalen Gesundheitsbehörden und sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, heißt es in der Anzeige. Das Gewerkschaftsbündnis repräsentiert mehr als eine Million Mitglieder.

Sie werfen Bolsonaro vor, die Bevölkerung und die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen bewusst einem hohen Risiko ausgesetzt und auch ihren Tod in Kauf genommen zu haben. Es ist bereits die dritte Anzeige gegen Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof.


Quelle:
KNA , epd