DOMRADIO.DE: Sie haben damals, beim Gedenkgottesdienst nach dem Anschlag, gesagt: Die Tür hat gehalten, das ist das Wunder von Halle, aber zwei Menschen sind gestorben, das ist die Wunde von Halle. Was denken Sie, wenn Sie heute diese Tür sehen?
Max Privorozki (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Halle): Diese Tür hat etwas gemacht mit uns. Mit jedem Tag, mit der Zeit, verstehen wir immer mehr, was diese Tür für uns bedeutet, und möglicherweise haben wir das auch in zwei, drei Tagen noch nicht vollständig begriffen, aber jetzt ist diese Tür so etwas wie ein Teil der Gemeinde geworden.
Und wir haben auch Angebote bekommen von verschiedenen renommierten Museen, Bundesmuseen, dass diese Tür dort ausgestellt wird. Wir haben all diese Angebote abgelehnt, weil wir finden, dass diese Tür bei uns bleiben soll.
DOMRADIO.DE: Was wird damit passieren?
Privorozki: Diese Tür wird ein Bestandteil des neuen Mahnmals. Dieses Mahnmal haben wir schon angefangen zu fertigen. Wir planen am 9. Oktober dieses Jahres, zum ersten Jahrestag nach dem Terroranschlag, ein Mahnmal zu präsentieren, wobei die Tür Hauptbestandteil sein wird.
DOMRADIO.DE: Jetzt soll eine neue Tür eingesetzt werden. Was für eine Tür kommt da rein? Wird sie noch einmal anders sein in Bezug auf Sicherheit?
Privorozki: Optisch gesehen wird diese Tür gleich sein. Aber was die Sicherheit betrifft: Sie wird noch sicherer sein. Die alte Tür unsicher nennen kann ich nicht. Sie werden verstehen warum. Aber die neue Tür wird noch sicherer sein.
DOMRADIO.DE: 7.000 bis 10.000 Euro werden jährlich für Sicherheit bei Ihnen ausgegeben. Was sagen Sie dazu, dass Sie im Jahr 2020 so viel Geld für Sicherheit ausgeben müssen?
Privorozki: Ich vermute, wir werden in diesem Jahr wesentlich mehr für Sicherheit ausgeben müssen. Ja, nun gut, so ist das Leben. Wir haben auch früher relativ viel Geld für Sicherheit ausgegeben. Auch vor dem Anschlag haben wird regelmäßig ziemlich viel Geld ausgegeben.
DOMRADIO.DE: Der Anschlag liegt ja noch kein Jahr zurück. Wie hat dieser Anschlag denn die Stimmung in Ihrer Gemeinde verändert?
Privorozki: Man kann diese Frage schwer beantworten, weil man diese Stimmung nur dann messen kann, wenn wir sehen, ob bestimmte Veranstaltungen weniger besucht werden als vor dem Anschlag. Und jetzt kann man darüber kaum reden, weil wegen der Corona-Krise sowieso sehr viele Veranstaltungen für ältere Menschen entweder abgesagt sind oder online laufen. Auch bei Gottesdiensten haben wir nicht mehr als 19 Plätze in unserer Synagoge. Normalerweise sind das 100, aber jetzt wegen der Abstandsregeln dürfen wir nicht mehr als 19 Leute in der Synagoge empfangen. Und deswegen ist es schwer zu sagen, ob es angesichts des Anschlags Veränderungen bei Gemeindemitgliedern gibt. Ich hoffe, dass das Gemeindeleben nach dem Ende der Krise nicht leiden wird, angesichts dieses Anschlags. Aber wir merken, dass man das derzeit nicht feststellen kann.
Das Gespräch führte Julia Reck.