Der Rektor des Potsdamer Abraham Geiger Kollegs, Walter Homolka, spricht sich für eine Entfernung des antisemitischen mittelalterlichen Reliefs "Judensau" an der Wittenberger Stadtkirche aus. "Das Gift solcher Zerrbilder ist noch wirksam", sagte der Rabbiner der "Zeit" (Donnerstag). Lange sei er dafür gewesen, solche Abbildungen zu erläutern, anstatt sie zu entfernen. "Mittlerweile sage ich: Das reicht nicht." In Richtung der Kirchen sagte Homolka: "Die Kirchen müssen erkennen: Der christliche Antijudaismus wirkt weiter."
Der Streit um die antisemitische Schmähplastik beschäftigt nun den Bundesgerichtshof (BGH). Der jüdische Kläger legte dort Revision gegen das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg ein. Das OLG hatte entschieden, dass das "Judensau"-Relief an der Außenfassade der Kirche hängen bleiben darf. Der Kläger fordert eine Abnahme, weil die Schmähplastik Juden antisemitisch beleidige. Ähnliche Darstellungen finden sich noch an rund 30 evangelischen und katholischen Kirchen im deutsch geprägten Kulturraum.
Schmährelief von Martin Luther inspiriert?
Auf dem Relief in etwa vier Metern Höhe an der Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546) ist ein Rabbiner zu sehen, der den Schwanz eines Schweins anhebt und ihm in den After sieht. Zwei weitere Juden saugen an den Zitzen des Tiers. Das Schwein gilt den Juden als unrein. Hinzu kommt die 1570 eingelassene Inschrift "Rabini-Schem HaMphoras". Diese ist vermutlich inspiriert von Luthers antijüdischer Schrift "Vom Schem Hamphoras und vom Geschlecht Christi" von 1543. Schem Ha Mphoras steht für den im Judentum unaussprechlichen heiligen Namen Gottes.