Oberrabbiner: Debatte um Felix Klein geht an der Sache vorbei

"Tiefschlag in der Antisemitismusbekämpfung"

Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, äußert sich entsetzt zur aktuellen Debatte über Antisemitismus in Deutschland. Gleichzeitig hat den Antisemitismusbeauftragten Felix Klein gegen Kritik verteidigt.

Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak (KNA)
Kundgebung gegen Antisemitismus in Berlin / © Markus Nowak ( KNA )

Zudem verurteilt er die teils massiven Vorwürfe gegen den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein. Das geht aus einem am Freitag bekanntgewordenen Brief von Goldschmidt an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hervor.

"Die Vorwürfe gegen Felix Klein und der relativierende Umgang mit dem leider wieder grassierenden Antisemitismus, die in dem von mehr als 60 Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern unterzeichneten Brief geäußert wurden, haben die jüdische Gemeinschaft verletzt", so Goldschmidt. Die Debatten gingen "am wirklichen Problem" vorbei. Damit werde Antisemiten nicht nur Vorschub geleistet, sondern "in fataler Weise" ignoriert, in welcher schwierigen Situation Europas Juden derzeit seien.

Die vergangenen zwölf Monate hätten gezeigt, "wie physische und auch virtuelle antisemitisch motivierte Angriffe gegenüber der jüdischen Gemeinschaft zugenommen haben". Der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober habe eine neue Dimension von Gewalt an Juden und letztlich auch an der Gesellschaft markiert, betont Goldschmidt.

Tiefschlag in der Antisemitismusbekämpfung

Aus seiner Sicht wäre es sinnvoller gewesen, "diese traurigen Fakten seitens der Unterzeichner aus Kultur und Wissenschaft zu thematisieren und Strategien aufzuzeigen, wie diese unerträgliche Gewaltspirale gegen Juden wieder zurückgedreht werden" könne. Stattdessen sei das Gegenteil erreicht worden: Man könne mit der Politik des Staates Israels einverstanden sein oder nicht - diese aber auf die hier in den "allermeisten" Fällen "sehr gerne" lebenden Juden zu projizieren, sei ein neuer Tiefschlag in der Antisemitismusbekämpfung.

Wünschenswert sei in Deutschland eine Debatte darüber, wie der Kern des Antisemitismus bekämpft werden könne, betont Goldschmidt. Er frage sich, "wie vor diesem Hintergrund, wie mit solchen irritierenden Debattenanstößen eigentlich das bevorstehende Festjahr '1.700 Jahre Jüdisches Leben" begangen werden solle.

Die jüdische Gemeinschaft in Europa sei dankbar, die Bundesregierung mitsamt Klein bei der Bekämpfung des Antisemitismus und der Förderung jüdischen Lebens in Deutschland an ihrer Seite zu wissen. Die CER schätze den "unermüdlichen Einsatz" Kleins. Die Zusammenarbeit mit ihm sei "immens wichtig".

Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit?

Klein war vorgeworfen worden, seine Kritik am Postkolonialismus-Forscher Achille Mbembe sei ein Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit. Im Kern der Auseinandersetzung stehen Schriften Mbembes, in denen er einen Zusammenhang zwischen dem Holocaust und dem Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern herstellt. Ähnlich wie in den postkolonistischen Staaten Afrikas würden in Israel die einstigen Opfer (die Juden) zu Verfolgern, die Verbrechen und Ungerechtigkeiten wiederholten, argumentierte Mbembe. Von der israelfeindlichen Boykottbewegung BDS hat er sich inzwischen distanziert.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hatte Klein gegen die Anfeindungen und Kritik in Schutz genommen. "Der Vorwurf, er unterdrücke Debatten oder wolle Kritiker der israelischen Regierung mundtot machen, ist haltlos und in unseren Augen auch respektlos", hieß es in einem am Mittwoch veröffentlichten Offenen Brief von Zentralratspräsident Josef Schuster an Bundeskanzlerin Merkel.


Felix Klein / © Werner Schüring (KNA)
Felix Klein / © Werner Schüring ( KNA )

Oberrabiner Pinchas Goldschmidt / © Heike Lyding (epd)
Oberrabiner Pinchas Goldschmidt / © Heike Lyding ( epd )
Quelle:
KNA , epd
Mehr zum Thema