DOMRADIO.DE: Was ist Ihre Heimatkirche?
Franz Meurer (Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Theodor und St. Elisabeth in Köln): Meine Heimat ist St. Theodor, die wir ja mitgestalten konnten.
DOMRADIO.DE: Da müssen Sie uns mal beschreiben, wie St. Theodor aussieht. Was macht St. Theodor so besonders?
Meurer: Die Kirche wurde 1992 bei einem Erdbeben zerstört. Damals war noch Geld da. Bei den Armen wollten der Erzbischof und der Generalvikar, damals Feldhoff, eine Kirche neu bauen. Und diese Kirche stellt heute dar, was Gemeinde ist. Nach dem Bauhaus Prinzip "form follows function" ist der Keller der Ort der Diakonie - 890 Quadratmeter und 3,90 Meter hoch.
Dann in der Mitte die Liturgie, die Auswirkung, auf griechisch die Koinonie: Dort findet man also die Bücherei, Kunstausstellung und Café. Und am Kreuzweg vorbei auf das Dach, wo man - wer sich wichtig machen will - die Glocke läuten kann. Das ist es ganz knapp zusammengefasst: Die Kirche stellt da, was Gemeinde ist.
DOMRADIO.DE: Was muss denn eine Heimatkirche haben, damit wirklich ein Gefühl von Zuhause gibt?
Meurer: Da kann ich nur sagen: Zuhause ist dort, wo ich verstehe und verstanden werde. Das heißt, man muss den Eindruck haben, Sie nützt den Menschen. Wir haben unten zum Beispiel eine Fahrradwerkstatt, verteilen jedes Jahr seit vier Jahren 3000 Fahrräder, die ein aus Syrien geflüchteter Ingenieur repariert. Wir haben nach jedem Gottesdienst Bewirtung. Wir können, wenn Leute arm sind, für über hundert Hochzeitsgäste alles ehrenamtlich organisieren. Wir sind die einzige Bücherei für 26.000 Menschen. Um nur mal ein paar Sachen anzudeuten. Das heißt, hier verstehen die Menschen, was Christsein bedeutet.
DOMRADIO.DE: Eine Heimatkirche ist also auch eine Kirche, die für ganz viele verschiedene Menschen offen steht.
Meurer: Natürlich. Wenn bei uns die Grundschule zum Beispiel einen Zirkus hat, ist die Aufführung in der Kirche. Wir sind nun mal der größte Raum. In Afrika ist es doch ganz normal, dass in der Kirche Unterricht, Mütterschule und Sozialstation ist. Das heißt, unser Vorteil ist die Armut. Das heißt, man kann nicht sagen, du gehst zur Bewirtung in die Wirtschaft, du gehst zum Training in die Aula. Wenn man nicht hat, ist die Kirche der zentrale Ort. Das war damals eine geniale Idee des Erzbistums, uns mit planen zu lassen.
DOMRADIO.DE: Jetzt ist es ja so, dass ganz viele Menschen ein emotionales Verhältnis zur Kirche Ihrer Kindheit haben. Ist das bei Ihnen auch so?
Meurer: Die Bruder-Klaus-Kirche in Köln Mülheim erinnert mich mehr ans Jugendheim, dass unser Lebensmittelpunkt war. Die Kirche als solche war damals aus Beton, heute sind da bunte Fenster drin. Ich war da Messdiener und von dem riesigen Bau begeistert. Am besten war aber, dass damals die Glocken noch mit einem Seil geläutet wurden. Es war strengstens verboten, sich von dem Seil hochziehen zu lassen. Das haben wir natürlich alle gemacht. Wir hatten Leutdienst und wussten, was man nicht darf, muss man mal ausprobieren. Da ist ja auch katholisch.
Das Interview führte Hilde Regeniter.