75 Jahre Potsdamer Abkommen

Neue Ordnung nach dem Krieg - auch für die Kirchen

Vor 75 Jahren wurde das sogenannte Potsdamer Abkommen verkündet. Nach dem Sieg über Nazi-Deutschland haben sich die Regierungschefs der Siegermächte auf Schloss Cecillienhof in Potsdam getroffen, um über die Konsequenzen für Deutschland zu beraten.

Potsdamer Konferenz 1945 / © N.N./UPI (dpa)
Potsdamer Konferenz 1945 / © N.N./UPI ( dpa )

DOMRADIO.DE: Bei dem Treffen in Potsdam vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 waren die Vertreter der drei Haupt-Alliierten zusammen. Die prominentesten Namen sind da Harry Truman, Winston Churchill und Josef Stalin. Was musste denn da genau besprochen werden? 

Trond Kuster (Historiker an der Universität Bielefeld): Die drei großen Vertreter der Siegermächte entschieden damals über die Zukunft Deutschlands und überlegten sich, wie es weitergehen sollte. Und es ging eigentlich um vier große Themen. Es ging um die Demilitarisierung Deutschlands, um die De- bzw. Entnazifizierung, die Dezentralisierung des Deutschen Reiches und die Demokratisierung, die nun deutlich besser gelingen sollte als nach dem Ersten Weltkrieg. 

DOMRADIO.DE: War das leicht, da eine Einigung zu erzielen? 

Kuster: Leicht würde ich so vielleicht aus heutiger Perspektive nicht sagen. Der Druck war nicht ganz so groß, weil dass das Potsdamer Abkommen eigentlich eine zunächst relativ unverbindliche Absichtserklärung sein sollte. Keine der Parteien hatte jetzt vielleicht die Absicht, da endgültige Tatsachen zu treffen. Von daher war das ganze Setting durchaus etwas entlastet oder unverbindlicher.  

Aber die ganze Unternehmung war insofern schwierig, weil die Briten zwischendurch ihren Haupt-Verhandlungsführer auswechseln mussten. Zwischendurch wurde diese Konferenz unterbrochen, weil am 28. Juli 1945 Unterhauswahlen in Großbritannien waren. Dadurch wurde dann Winston Churchill ausgewechselt durch den neuen Premierminister Clement Attlee. So konnte dann Großbritannien vielleicht nicht ganz so dominant auftreten, wie es das vielleicht gerne getan hätte. Dadurch war diese ganze Konferenz vielleicht eine Sondersituation, auf jeden Fall aus der Sicht der Briten. 

DOMRADIO.DE: Was sind denn die wichtigsten Beschlüsse, die im Potsdamer Abkommen festgehalten wurden? 

Kuster: Zunächst wurden natürlich die großen Entnazifizierung-Programme entschieden. Es wurde auch darüber gesprochen, die Nürnberger Prozesse oder etwas in der Form für die Hauptschuldigen des NS-Staates durchzusetzen. Der Föderalismus in Deutschland wurde natürlich auf die Tagesordnung gesetzt. Es wurde beschlossen, also keinen Staat mehr nach dem Führerprinzip aufzubauen, und Deutschland in Besatzungszonen aufzuteilen: Das ist wahrscheinlich auch der Punkt, der bis heute am stärksten nachwirkt: die territoriale Neuordnung. 

Die großen Teile, die heute Teile Polens sind, oder Kaliningrad, das bis heute zu Russland gehört: Diese Teile sollten zunächst unter russische beziehungsweise polnische Verwaltung gestellt werden, und das bedeutete ganz konkret für einen Großteil der dort verbliebenen Bevölkerung, dass sie sich in den neuen Grenzen Deutschlands bzw. in den Besatzungszonen, damals noch den drei Besatzungszonen, niederzulassen hatten. 

DOMRADIO.DE: Warum war denn bei den Verhandlungen kein Vertreter aus Frankreich dabei? 

Kuster: Frankreich zählte mindestens bis zum Sommer 1945 nicht zu den klassischen Siegermächten. Also Frankreich hatte ja in den frühen 40er-Jahren gegen das Deutsche Reich kapituliert, das war natürlich einer der Gründe. Das hatten die anderen drei nun nachweislich nicht. Und Frankreich war natürlich auch durch die Aufteilung in Résistance und Vichy-Regime nicht ganz so eindeutig gegen Deutschland positioniert. Frankreich, muss man sagen, hat im August 1945 schlussendlich auch den Entscheidungen dieses Abkommens zugestimmt. Frankreich wurde dann auch ab dem Sommer 1945 mit einbezogen. Aber zu diesem Zeitpunkt war das noch nicht der Fall.

Was hinzukam, war eben auch die Tatsache, dass diese Konferenz in Potsdam eigentlich der dritte und letzte Akt einer von drei unterschiedlichen Abkommen war: Also einmal einer Konferenz in Teheran 1943, bei der der D-Day oder das, was hinterher der D-Day geworden ist, beschlossen wurde, sowie der Konferenz von Jalta, bei der praktisch die West-Verschiebung Polens 1945 beschlossen wurde. Und jetzt war dieses Potsdamer Abkommen sozusagen die Beendigung dieser Zusammenarbeit der drei großen Siegermächte. 

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn das Potsdamer Abkommen für die Kirche? 

Kuster: Damals bedeutete das unmittelbar auch für die deutsche Kirche eine Umstrukturierung. Ein Großteil der vorhandenen Kirchenprovinzen im heutigen Polen fiel weg bzw. wurde neu zugeordnet. Und man könnte, wenn man jetzt heute die großen Herausforderungen der Kirche sieht, ganz klar sagen: Die Tatsache, dass heute ein Großteil der Gemeinden bzw. der Kirchengebäude, die in den 50er-Jahren errichtet wurden, marode sind, geht natürlich auf die Tatsache zurück, dass die Kirche in den 50er-Jahren in Westdeutschland so stark expandieren musste.

Die alten Gebäude reichten nicht mehr aus. Neue Gemeinden waren erforderlich, gerade für die Vertriebenen aus den katholischen Gebieten, natürlich vornehmlich in Schlesien oder im ostpreußischen Ermland oder in Masuren, sodass in Westdeutschland sehr, sehr viele neue Kirchengemeinden und Kirchengebäude errichtet wurden. Heute ist natürlich das Problem, dass die Anzahl der Gläubigen so nicht mehr da ist und dieser Bauboom aus den 50er-Jahren oder den frühen 60er-Jahren dazu geführt hat, dass heute sehr, sehr viel Bausubstanz minderer Qualität kaum noch instand gehalten werden kann.

Das Interview führte Martin Bornemeier.


Quelle:
DR