DOMRADIO.DE: Wissen Sie über Ihre Quellen im Vatikan denn mehr darüber, wie es Benedikt wirklich geht?
Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Ich denke, man muss zunächst einmal den Ball flach halten. Das sollte die Devise sein, denn wir sind uns ja alle bewusst, dass jemand, der 93 Jahre alt ist, der seinen Bruder vor wenigen Wochen verloren hat, ohnehin nicht bei bester Gesundheit ist. Und wenn man sich mal die Fotos anschaut, vom Regensburgbesuch, konnte ja sogar jeder medizinische Laie sehen, dass im Gesicht Anzeichen einer Gesichtsrose waren. Da muss man eigentlich davon ausgehen, dass da jeden Tag etwas passieren kann.
DOMRADIO.DE: Sagt das denn etwas über den Gesundheitszustand des Papstes aus?
Nersinger: Ich denke eigentlich nicht. Ich meine, wie schon gesagt, wir müssen davon ausgehen, dass wir natürlich jemanden im Vatikan haben, der vom Alter her und von seinem Gesundheitszustand natürlich immer in der Gefahr ist, dass er irgendwann bettlägerig wird oder vielleicht sogar stirbt. Das ist eigentlich fast eine Selbstverständlichkeit.
DOMRADIO.DE: Die Ratzinger-Brüder standen sich sehr nahe. Da ist es ja auch nicht verwunderlich, wenn der Tod des großen Bruders dem Jüngeren mit seinen immerhin 93 Jahren auch körperlich zusetzt. Oder?
Nersinger: Ja, das ist ganz klar. Aber wenn wir zurückdenken an den Tod seiner Schwester in den 90er Jahren. Das hat ihn damals sehr, sehr mitgenommen. Und ich studierte damals in Rom, und wir haben alle gemerkt, wie sehr ihn das niedergedrückt hat. Und ich denke jetzt, der Tod des Bruders wird noch ein Weiteres getan haben, vielleicht auch selber zu wissen: Ja, alle beide sind weg.
DOMRADIO.DE: Mit Benedikt waren die Deutschen endlich mal wieder Papst. Jetzt hat er das Greisenalter erreicht, und die Medien stürzen sich auf solche Nachrichten. Ist das Ihr Eindruck, dass das so ein bisschen Getöse ist?
Nersinger: Ja, das ist aber bei jedem Papst so. Und zwar in jedem Extrem. Mir fällt spontan eine Episode ein, die das ganz andere Extrem berichtete. Das war Anfang des 20. Jahrhunderts. Da lag der Papst mehr oder weniger im Sterben, und in den Vorzimmern versammelten sich schon die Mitglieder des Kardinalskollegiums und die Diplomaten. Aber der offizielle Vatikan hatte damals durch den L'Osservatore Romano verkünden lassen, dass der Heilige Vater nur an einer leichten Erkältung leide. Und die Druckertinte war noch nicht trocken, da läuteten in Rom schon die Totenglocken. Man sieht, das ist immer ein mediales Ereignis, und das kann einmal nach da ausschlagen und einmal nach dort. Da muss man immer mit rechnen, dass gerade in der Medienlandschaft natürlich das bevorstehende oder das mögliche Ableben eines Papstes immer eine sehr, sehr große Rolle spielt.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich für Benedikt? Wie sieht eine angemessene Berichterstattung in diesem Falle aus, aus Ihrer Sicht?
Nersinger: Ich denke, dass man ihn in Ruhe lässt, dass man relativ wenig darüber berichtet und dass man das nicht allzu sehr in die Öffentlichkeit zieht. Und dass man, wenn es ihm schlechter geht, ihn dann wirklich in Ruhe vor seinen Schöpfer treten lässt.
Das Gespräch führte Dagmar Peters.