Die Strafrechtlerin Tatjana Hörnle hat die geplante Strafverschärfung für Missbrauchstäter kritisiert. Sie könne den Vorschlag fachlich nicht nachvollziehen, erklärte Hörnle in einem Interview der "Tageszeitung". Schon heute gelte es als "schwerer sexueller Missbrauch" und damit als Verbrechen, wenn der Täter das Kind in die Gefahr einer Schädigung bringe. "Das ist doch Signal genug".
Verbrechen oder Vergehen
Das Justizministerium arbeitet aktuell an einem Gesetzentwurf, sexuellen Missbrauch generell als Verbrechen einzustufen und damit härter zu bestrafen. Bislang gilt nur schwerer sexueller Missbrauch als Verbrechen, ansonsten gilt Missbrauch als Vergehen. Forderungen nach Strafverschärfung kamen nach den großen Missbrauchsfällen von Lügde und Münster zunächst vor allem von der Union.
Hörnle betonte weiter, vermutlich klinge der Begriff "Verbrechen" nach schwerem Unrecht und der Begriff "Vergehen" nach einem Kavaliersdelikt. Wenn sich diese Sichtweise durchsetze, bekomme der Gesetzgeber ein großes Problem. Denn in Deutschland seien die meisten Straftaten als Vergehen eingestuft, so etwa auch die Körperverletzung. Sie finde es beunruhigend, dass die Ministerin schon nach wenigen Tagen Trommelfeuer seitens des Koalitionspartners, einiger Medien und einiger Verbände eingeknickt sei.
Kritik an Wortwahl
Die Juristin, die seit 2019 Direktorin des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg ist, bemängelte zudem, dass Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) den Begriff "sexuellen Missbrauch" durch "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" ersetzen will. Das sei irreführend, so Hörnle. Wer "Gewalt" in die Überschrift schreibe, gebe manipulativen Tätern möglicherweise das Gefühl, das sie nicht gemeint seien.