Papst Franziskus hat zum Gebet und zur Unterstützung für die Opfer der Explosionen in Beirut aufgerufen. Alle politischen, religiösen und gesellschaftlichen Verantwortungsträger müssten sich an der Bewältigung "dieser tragischen und schmerzhaften Situation" beteiligen, so der Papst bei seiner Ansprache zur Generalaudienz im Vatikan. Zugleich rief er die internationale Gemeinschaft auf, das Land zu unterstützen, damit der Libanon die schwere Krise, die er seit Jahren durchlebe, bewältigen könne.
Bätzing betet für Opfer und Angehörige
Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, hat dem maronitischen Patriarchen, Kardinal Béchara Boutros Raï, kondoliert: „Mit großer Bestürzung habe ich Kenntnis von dem tragischen Unglück am gestrigen Abend in Beirut erhalten. Die Gewalt der Explosionen ist erschreckend und erschüttert mich zutiefst. Den Opfern und ihren Angehörigen gilt mein Gebet. Als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz übermittle ich Ihnen, den vielen Verletzten sowie den Angehörigen mein tief empfundenes Mitgefühl.
Die Ursache der Detonationen ist bisher ungeklärt, die Gerüchte überschlagen sich. Doch es wird angenommen, dass es sich um ein tragisches Unglück handelt. Die Krankenhäuser sind nun – wenn nicht schon durch die Corona-Pandemie – durch die zahlreichen Verletzten überfordert. Große Teile des Hafens sind zerstört, umliegende Stadtgebiete beschädigt, Beiruts Straßen sind mit Trümmern übersät. Die Explosionen sollen mehrere hundert Kilometer weit zu spüren gewesen sein. Wir hoffen, das Patriarchat und seine Einrichtungen sind nicht im Übermaß betroffen. Es sind erschütternde Bilder. Wir wünschen Ihnen und den Gläubigen Kraft und Gottes Segen und sind im Gebet verbunden. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen."
Kardinal Woelki ruft zum Gebet auf
"Die Bilder, die uns von der Explosion erreichen, sind schockierend. Beten wir für die Toten, die Verletzen, ihre Familien und Freunde!", schrieb Woelki in der Nacht bei Facebook und Twitter. Der Kölner Erzbischof war 2017 selbst im Libanon und hat dort einen Scheck über 10.000 Euro an eine libanesische Schule übergeben, die die Kölner Domsingschule gesammelt und mit Aktionen erwirtschaftet hatte. Seitdem gibt es eine Schulpartnerschaft zwischen der libanesischen St. Rita-Schule und der Domsingschule.
Auch die katholischen Bischöfe des Heiligen Landes haben dem libanesischen Volk ihre Solidarität ausgesprochen. "Wir beten für die Seelen der Toten und für die Genesung der Verletzten und für die Stabilität und den Wohlstand des Libanon", heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Mitteilung.
Ammoniumnitrat ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen gelagert
Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mehr als 70 Toten und 3000 Verletzten beginnt im Libanon die Suche nach möglichen Ursachen. Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr große Menge Ammoniumnitrat: Schätzungsweise 2750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es am Dienstag nicht.
Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur "Katastrophen-Stadt" erklärt.
Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.
Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf.
Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde. Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus.
Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.
Merkel zeigte sich "erschüttert"
Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. "Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe", sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.
Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten rasche Unterstützung in Aussicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich "erschüttert", wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer die Kanzlerin zitierte. Deutschland stehe dem Libanon in der "schweren Stunde zur Seite", twitterte Außenminister Heiko Maas. Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft seien unter den Verletzten.
EU und Frankreich wollen helfen
Auch die Europäische Union und Frankreich - frühere Mandatsmacht des Libanon - stellten Hilfen in Aussicht. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte bestürzt und drückte den Familien der Opfer sein "tiefstes Beileid" aus. US-Präsident Donald Trump schien den Vorfall als Anschlag einzustufen: Seine "Generäle" gingen von einer Art Bombe aus, sagte Trump im Weißen Haus. Die Explosion deute nicht auf einen Unfall hin, sagte Trump unter Berufung auf seine Militärberater.
Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle "medizinische humanitäre Hilfe" an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Außenminister Gabi Aschkenasi aus.