"Wir schaffen das" - diesen Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kann der Bonner Pastoralreferent Guido Zernack nur bestätigen. Schon Anfang 2014, rund anderthalb Jahre vor dem berühmten Ausspruch der Kanzlerin, begann seine katholische Kirchengemeinde, sich um eine 27-köpfige Großfamilie zu kümmern, die dem syrischen Bürgerkrieg entkommen war. Heute blickt der 58-Jährige mit einem "zu 100 Prozent positiven Gefühl" auf das Flüchtlingsprojekt zurück.
"Die Kinder sind integriert, die Familien leben in Frieden", sagt Zernack. Durch die bewilligten Asylanträge sind diejenigen, die keine Arbeit haben, abgesichert und beziehen Sozialhilfe. In den ersten zwölf Monaten hatte die Gemeinde Sankt Rochus und Augustinus Wohnungen organisiert und eingerichtet. Für die laufenden Kosten sammelte sie für das erste Jahr 120.000 Euro an Spenden; das Erzbistum Köln unterstützte das Projekt mit weiteren 30.000 Euro.
Ehrenamtliche halfen den Geflüchteten außerdem beim Deutschlernen und bei der Integration. Kindergartenplätze wurden organisiert und Kinder auf den Schulbesuch vorbereitet.
Dinge falsch eingeschätzt
Und weil die Geflüchteten gut ausgebildet waren - unter anderen ein Chirurg, eine Architektin, eine Lehrerin - war Zernack auch zuversichtlich, dass sie schnell in Lohn und Brot kommen. "Wir haben gehofft, dass die Leute nach einem Jahr alle in Arbeit sind."
Über dieses Ziel schmunzelt der Pastoralreferent heute: "Das haben wir total verfehlt". Kein einziges Familienmitglied arbeite heute in seinem erlernten Beruf. Berufsausbildungen seien nicht anerkannt und Maßstäbe angelegt worden, "die man gar nicht erfüllen kann", kritisiert Zernack. Eine Syrerin studiere inzwischen, zwei Männer hätten sich mit einem Gemüsehandel selbstständig gemacht.
Weil die Gemeinde eine Art Vorreiter war, wurde im Sommer 2014 auch die Deutsche Bischofskonferenz auf das ungewöhnliche Engagement aufmerksam. Zernack berichtete seinerzeit vor der Migrationskommission der Konferenz, der Bischöfe aus ganz Deutschland angehören, über die Erfolgsgeschichte.
Frust und Enttäuschungen
Natürlich hätten die Helfer auch mal Frust und Enttäuschungen bei ihrem Engagement erlebt, sagt der Pastoralreferent im Rückblick.
Deshalb habe sich das Helfernetzwerk regelmäßig zum Austausch getroffen; "da wurde manche Illusion genommen". Mitunter seien die Ehrenamtlichen "mit falschen oder überhöhten Erwartungen" an ihre Aufgabe herangegangen.
So sei es zu «Frust auf Beziehungsebene» gekommen; einige hätten von ihrem Gegenüber mehr Dankbarkeit und Freundlichkeit erwartet. Ein Moment, wo Zernack verdeutlichen musste: "Die Menschen haben nicht ihre Heimat verlassen, weil sie neue Freunde suchen." Statt den Neuankömmlingen übermotiviert etwas "überzustülpen", musste der Kirchenmitarbeiter die Helfer gelegentlich ausbremsen: "Wir müssen sie auch mal in Ruhe lassen, sie müssen selbst ihren Weg finden".
Zernack hält es für alle Beteiligten für wichtig, dass das "Syriennetzwerk" zeitlich auf ein Jahr begrenzt war. Viele Ehrenamtliche, die das Projekt tatkräftig unterstützt hatten, seien "über sich hinausgewachsen - man kann nicht ewig so weitermachen; irgendwann ist auch mal gut". Auch er selbst habe "total unterschätzt, was das für eine Arbeit ist - ich war kurz vor einem Burnout". Einige Ehrenamtliche hätten sich im Anschluss trotzdem weiter in der ökumenischen Flüchtlingshilfe engagiert.
"Menschen guten Willens" arbeiteten zusammen
Für seine Gemeinde sei das Engagement für die syrische Familie ein "Glücksfall" gewesen, betont er dennoch. Der Pastoralreferent hat daraus etwas gelernt: "Gemeinde kann auch ganz anders funktionieren." So hätten sich Menschen von dem Projekt angesprochen gefühlt, die vorher nie in der Kirche waren. Ein Fazit: "Wir dürfen nicht nur Kleinklein denken - und es müssen gar nicht alle katholisch sein".
Diese Erfahrung nutzt die Bonner Gemeinde jetzt auch beim Freiwilligen-Management, um "alle Menschen guten Willens" mit ihren Stärken und Fähigkeiten für ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Das Flüchtlingsprojekt habe den Verantwortlichen verdeutlicht, was alles machbar ist, wenn viele gemeinsam an einem Strang ziehen.
Zernack: "Das Syriennetzwerk war ein Meilenstein in unserer Pfarrei."