DOMRADIO.DE-Sommeraktion: Meine Heimatkirche

Das Programm Jesu leben und weitergeben

Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen auf seiner Sommertour durch Westfalen: Heute besucht er den kleinen Wallfahrtsort Stromberg und trifft auf einen überzeugten Christen mit, ja, Glaubenszweifeln.

 (DR)

DOMRADIO.DE: Wir sind jetzt hier in der Sankt-Lambertus-Kirche im kleinen Wallfahrtsort Stromberg in Oelde. Eine wunderschöne Kirche! Was verbindet Sie mit dieser Kirche?

Hans-Georg Rammert: Wir haben hier in Stromberg zwei Kirchen: Einmal die Lamberti-Kirche, das ist die Gemeindekirche. Und die Kreuzkirche, das ist die Wallfahrtskirche. Da sind dann zwei Herzen in meiner Brust. Ich bin Ober-Stromberger und habe mehr Beziehungen zur Wallfahrtskirche. Aber diese Kirche ist einfach eine Gemeindekirche. Und ich bin Handwerker. Ich bin auf beiden Dachböden gewesen und man kann feststellen, dass hier jeder Eichenknüppel genommen worden ist, der da war. Oben bei der Wallfahrtskirche, die ja dem Bischof gehörte, waren nur kantige Balken genommen worden. Es war wie aus dem Effeff. Von daher ist diese Kirche mir lieber.

DOMRADIO.DE: Es ist auch eine ganz schlichte, eine tolle Kirche. Was gehört sont noch zu Ihrem Glauben im Alltag dazu?

Rammert: Das ist eine schwierige Frage. Ich kann sagen, dass ich bis 24 kein überzeugter Christ gewesen bin, dass ich mitgelaufen bin. Dann ist Pastor Lendermann nach Stromberg gekommen. Der hat mich in die Jugendarbeit geführt. Und im Pfarrgemeinderat haben wir dann "Mission, Entwicklung, Frieden" gegründet. Das war für mich die Basis, dass ich Jesu Nachfolge, Reich Gottes hier auf Erden verwirklichen möchte, soweit es möglich ist. Das war so die erste Glaubensgeschichte – und die ist bis jetzt auch geblieben.

Ich kann mit großen Kirchen nicht viel anfangen, und ich weiß auch nicht, ob ich noch Christ oder Katholik bin. Ich habe meine Schwierigkeiten mit der Wandlung. Ich kann da nicht dran glauben. Ich glaube, wenn ich das Programm Jesu lebe und weitergebe, dann ist das für mich eine Geschichte von Wandlung. Da bin ich mit Fleisch und Blut, mit Leib und Seele dabei. Aber ich muss nicht daran glauben, dass es Blut und Fleisch ist, sondern ich muss daran glauben, dass das die eine Geschichte ist, die uns Menschen weiterführt.

DOMRADIO.DE: Sie sind seit Jahren hier in Stromberg aktiv in der Eine-Welt-Gruppe. Warum ist Ihnen diese Arbeit so wichtig?

Rammert: Jesus hat sich um die Armen gekümmert, hat sich für Gerechtigkeit eingesetzt, hat gegen die Großen geschimpft. Ich glaube, dass wir als christliches Abendland mindestens seit 500 Jahren die Welt ausbeuten. Es fing an mit Gold und Silber, Sklavenhandel. Ungerechte Handelsverträge sind es in der heutigen Zeit. Und da kann ich mich als Christ nicht wohlfühlen, wenn eine christliche Partei zum Beispiel solche Handelsverträge macht. Und das ist die Botschaft, die wir als Eine-Welt-Gruppe aussenden: Es genügt nicht, Waren zu kaufen, sondern wir müssen die politischen Rahmenbedingungen ändern, damit die Menschen auf der Welt gerechter leben können.

DOMRADIO.DE: Erleben Sie dabei die nötige Rückendeckung von der offiziellen Kirche oder kommt man sich an der Basis doch ein bisschen abgehängt vor?

Rammert: Was heißt offizielle Kirche? Vor vierzig Jahren fühlte ich mich schon in der Gemeinde verbunden. Wir haben Pfarrfeste gefeiert. Trotzdem war Eine-Welt-Arbeit immer so ein bisschen anrüchig. Ich glaube, dass Eine-Welt-Arbeit immer noch so ein bisschen im Hintergrund ist. Die offizielle Kirche kann das eigentlich nicht gutheißen. Wir unterstützen manchmal die Wallfahrt mit unseren Ständen – und wenn ich dann sehe, dass ein Bischof mit dem dicksten BMW, den es gibt, anfährt, dann ärgere ich mich maßlos.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie bemüht sind, den Glauben weiterzugeben: Was würden Sie sagen? Was ist ganz wichtig? Wenn jetzt junge Leute in diese Kirche hineinwachsen, im Glauben stark werden wollen, was ist Ihnen ganz wichtig, denen mit auf den Weg zu geben?

Rammert: Wir haben drei Kinder. Es sind alle drei Kinder ausgetreten aus der Kirche, weil wir uns bemüht haben, dass sie kritisch denken. Ich habe es nicht geschafft, sie davon zu überzeugen, dass die Botschaft Jesu einfach für mich die beste Möglichkeit ist, menschlich miteinander zu leben. Das hab ich nicht geschafft. Es ist schwer, das Thema an den Mann zu bringen – oder an die Frau. Sie sind aber alle im sozialen Bereich tätig. 

DOMRADIO.DE: Abschließende Frage für Sie als Christ: Was erwarten Sie noch von Ihrem Leben? Was wünschen Sie sich noch als Christ?

Rammert: Ich habe zu meinen Kindern gesagt: Ich habe alles. Ich bin überall da gewesen, wo ich sein wollte – in Marokko, in den Bergen, habe Klettersteige gemacht. Und ich hoffe, dass sich vielleicht noch ein bisschen in der Kirche ändert und dass da vielleicht die Frauen mehr berücksichtigt werden. Ja, ich glaube, das ist das Wichtigste. Die Gerechtigkeit gegenüber den Frauen, dass die in der Kirche immer gleichberechtigt da sein dürfen.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen, Chefredakteur von DOMRADIO.DE


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