"Johannes Paul II. hat eine riesige Rolle gespielt, unser polnischer Papst", sagte der Friedensnobelpreisträger und frühere Staatspräsident im Interview der "Kleinen Zeitung" zum 40. Jahrestag der Gründung der freien Gewerkschaft Solidarnosc 1980.
Der 76-Jährige erinnerte an die erste Polen-Reise Johannes Pauls II. 1979: "Die Menschen sind ihm in Massen gefolgt. Alle haben wir gehört, wie er sagte: 'Dein Geist komme herab und ändere das Antlitz dieser Erde.' Damals haben wir zum ersten Mal gesehen, wie viele wir sind." Schon wenige Monate nach der Gründung habe Solidarnosc zehn Millionen Mitglieder gehabt, erinnerte Walesa. "Das hat den Weg zum Sieg geebnet."
Die Gespräche bei seinen Begegnungen mit Johannes Paul II. seien "sehr eigenartig" gewesen, "weil wir gar nicht viel sagen mussten", so Walesa. "Wir haben uns ohne Worte verstanden. Er wusste, was ich denke, und ich wusste, was er dachte.
Gauck: "Man war einfach begeistert"
Auch der frühere Bundespräsident Joachim Gauck würdigte die Rolle des Papstes. Dessen Besuche in seiner Heimat seien "Demonstrationen von einer demokratischen Gegenkultur und einer lebendigen Religiosität" gewesen, sagte Gauck der Deutschen Welle. Das war ja einfach umwerfend.
Und ob nun Protestant oder nicht, "man war einfach begeistert davon, dass das in unserem Nachbarland geschehen konnte." Der Mut Johannes Pauls II. habe vielen Menschen imponiert, so Gauck. Seine Worte "Fürchtet euch nicht" hätten die "ganz gewaltige Botschaft", transportiert "dass man trotz aller Machtmittel der Herrschenden auf Veränderung hoffen dürfe".
Die Solidarnosc-Revolution
Die Gewerkschaft und Oppositionsbewegung Solidarnosc ("Solidarität"), die auch von der katholischen Kirche stark unterstützt wurde, trug maßgeblich zur Überwindung des Kommunismus bei. Im Sommer 1980 hatten Arbeiter der Danziger Lenin-Werft gestreikt. Am 31. August unterschrieben Streikführer Lech Walesa und Vize-Ministerpräsident Mieczyslaw Jagielski das Danziger Abkommen. Damit wurde im Ostblock erstmals eine unabhängige Gewerkschaft anerkannt.
Die polnische Freiheitsbewegung habe damals die alte Ordnung überwunden, sagte Walesa der Zeitung; "es war eine Revolution." Auch 40 Jahre nach der Wende bestehe die Notwendigkeit einer zukunftsweisenden gemeinsamen Idee für die Menschheit. "Wir brauchen ein neues Fundament. Eine neue Solidarität", so der Friedensnobelpreisträger.
Kapitalismus ist auch nicht die Lösung
Aus Sicht Walesas geht es dabei auch um die Frage nach dem richtigen Wirtschaftssystem. "Sicher nicht den Kommunismus, denn der ist vor aller Augen gescheitert. Aber der Kapitalismus ist auch nicht die Lösung", betonte er.
Gauck fügte hinzu, die Deutschen seien gut in romantischen Tönen und liebten die Freiheit. Entscheidend sei jedoch, dafür auch Risiken einzugehen. "Die Sprache der Freiheit in Europa ist Polnisch", so der frühere Bundespräsident. "Wohlhabende Nationen muss man immer wieder daran erinnern, dass ihr Leben in Sicherheit und Freiheit nicht selbstverständlich ist und dass man verlorene Freiheit auch wieder gewinnen kann."