Bonn plant Alternative zu traditionellen Martinszügen

Sankt Martin einmal anders?

Umzüge anlässlich des Heiligen Martins finden jedes Jahr am 11. November unter freiem Himmel statt. Nach derzeitigen Corona-Regeln also möglich. Doch einige Gemeinde haben den Zug abgesagt. Über Alternativen wird in Bonn nachgedacht.

Sankt Martin: Ein Reiter im roten Mantel? / © Adelaide Di Nunzio (KNA)
Sankt Martin: Ein Reiter im roten Mantel? / © Adelaide Di Nunzio ( KNA )

DOMRADIO.DE: Jedes Jahr um den 11. November finden die Martinszüge statt. Kinder gehen dem Heiligen Martin auf seinem Pferd mit ihren selbstgebastelten Laternen hinterher. Höhepunkt ist die Darstellung, wie Martin seinen Mantel für den armen Bettler teilt, damit er im Winter nicht frieren muss. Danach werden Weckmänner an die Kinder verteilt. Das Ganze findet immer im Freien statt, bei Wind und Wetter. Aber nicht in der Corona-Krise?

Wolfgang Picken (Stadtdechant von Bonn): Das ist nicht einheitlich zu beantworten. Die Martinszüge haben ja in den verschiedenen Kommunen, Stadtteilen und Städten ganz unterschiedliche Traditionen. Mal sind es die Kommunen selbst, die diese Veranstaltungen auf den Weg bringen und dazu einladen. Dann sind es aber auch privat organisierte Ortsausschüsse oder manchmal eben auch Schulen oder Kindergärten. Von daher gibt es für die meisten Kommunen keine einheitlichen Regelungen, weil es nicht einen einzigen Veranstalter gibt.

Wolfgang Picken / © Harald Oppitz (KNA)
Wolfgang Picken / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wissen Sie, wie Sie in Bonn mit den Martinszügen verfahren werden?

Picken: Als Stadtdechant bin ich nur für den großen Zug in der Bonner Innenstadt verantwortlich. Das zentrale Problem ist, dass der Sicherheitsabstand bei einem Zug durch die Stadt gewährleistet werden muss. Dafür tragen wir die Verantwortung. Das ist ein Zug, der mit Kindern stattfindet, deshalb ist es sehr schwierig, diese Rahmenbedingungen so zu erfüllen, dass auch der Infektionsschutz entsprechend gewährleistet ist.

Einige Teilkommunen in Bonn haben schon Züge abgesagt. Aber wir hier im Stadtdekanat und die leitenden Pfarrer in Bonn haben entschieden, dass wir ein neues Format entwickeln, weil wir es gegenwärtig für das völlig falsche Zeichen halten, wenn wir den Heiligen Martin in der Corona-Krise nicht stattfinden lassen, während wir auf Nächstenliebe und gegenseitige Rücksichtnahme in der Gesellschaft angewiesen sind.

Wir wollen überall in den Stadtteilen Züge auf den Weg bringen, indem die Martinsgruppe - der heilige Martin, vielleicht jemand, der mit dem Gänsekorb mitgeht, und vielleicht ein paar Leute, die mit Fackeln begleiten - nach einem vorgegebenen Weg durch die Stadt zieht und die Kinder und alle anderen eingeladen sind, sich an den Wegrand zu stellen.

Oder wenn man nicht an der Straße stehen möchte, sich ins Fenster oder auf den Balkon stellt, eben entlang dem festgelegten Weg, den diese Martinsgruppe gehen wird, ohne dass ihr Kinder mit Laternen folgen. Diese können sich an den Straßenrand stellen und auf diese Weise dem Martin entgegen singen. Dann könnten die Lieder überall in den Straßen erklingen, wo der Martin entlang zieht.

DOMRADIO.DE: Der Martinszug findet an der frischen Luft statt und die Laternen sind eine Art Abstandshalter. Deshalb fragen sich viele Menschen, warum teilweise bereits Martinszüge abgesagt werden.

Picken: Das Problem ist gerade bei Kindern, dass ihnen das Abstandhalten schwer fällt. Es ist sowieso ein riesiger organisatorischer Aufwand, einen solchen Weg mit Kindern zu gestalten, weil sie ja brennende Laternen in den Händen haben und man gut achtgeben muss. Die Eltern ziehen ja vielfach nicht mit. Das heißt, die Erziehungsberechtigten stehen an den Straßen, während die Lehrerinnen und Lehrer den Zugweg begleiten.

Das wird nicht ganz einfach durchzuführen sein, deshalb kann ich auch die Bedenken verstehen. Ich selbst möchte diese Verantwortung auch nur ungern übernehmen. Aber ich könnte mir vorstellen, dass ein gesäumter Weg, an dem die Kinder mit Laternen stehen, eine sehr eindringliche Alternative sein könnte.

DOMRADIO.DE: Und wie verteilt man dann den Weckmann?

Picken: Das ist unter Corona-Bedingungen nicht einfach. Den wird man auf der Straße nicht verteilen können. Aber der Weckmann kann in die Klassen und in die Kindergartengruppen gebracht werden. Das lässt sich, glaube ich, ganz gut organisieren. Es ist auch schon jetzt klar, dass in vielen Stadtteilen der Heilige Martin, das ist ja auch sonst in den Tagen vor und nach dem 11. November üblich, in die Einrichtungen, Kindergärten und Schulen geht, um dort persönlich seinen Besuch abzustatten und Weckmänner zu verteilen.

Das wird hier ähnlich gehandhabt werden. Aber was wirklich tragisch wäre, wenn diese Martinstradition ausgerechnet jetzt ausfallen sollte, wenn wir auf Nächstenliebe angewiesen sind und seelische und atmosphärische Akzente mit Blick auf die Adventszeit gesetzt werden sollten. Ich glaube, das müssen wir gut im Blick haben. Die Leute brauchen jetzt etwas für ihre Seele, damit unsere Kultur und unsere innere Stimmung nicht verloren geht - und am Ende auch noch das Weihnachtsfest ins Wasser fällt.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Sankt Martin, Bischof von Tours

Die nach dem heiligen Martin von Tours benannten Umzüge rund um den 11. November erinnern an die Legende, nach der Martin seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Martin wurde wohl 316/17 in der Stadt Sabaria geboren, dem im heutigen Ungarn gelegenen Szombathely (Steinamanger). Der Sohn eines römischen Tribuns trat auf Wunsch seines Vaters in die Armee ein. Nach seiner Bekehrung ließ sich Martin mit 18 Jahren taufen, quittierte den Militärdienst und wurde Eremit.

Sankt Martin / © jorisvo (shutterstock)
Quelle:
DR