Vatikanexperte über die Entmilitarisierung im Vatikan

Die päpstlichen Garden

Vor 50 Jahren ist es im Vatikan zur Entmilitarisierung gekommen. Bis 1970 gab es im Kirchenstaat vier verschiedene päpstliche Garden – übrig geblieben ist nur die Schweizergarde.

Schweizergardist mit Mundschutz / © Alessandra Tarantino (dpa)
Schweizergardist mit Mundschutz / © Alessandra Tarantino ( dpa )

Vatikanexperte Ulrich Nersinger über die Geschichte der päpstlichen Garden.

DOMRADIO.DE: Wofür hat der Papst denn über Jahrhunderte vier verschiedene Garden gebraucht?

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Die Garden gab es aus ganz verschiedenen Gründen. Zunächst einmal existierten sie natürlich zu seinem persönlichen Schutz. Da gab es die Nobelgarde, das war eine Garde aus Aristokraten, siebzig Mann zumeist. Dann gibt es die Schweizergarde, das war seine zweite Leibwache. Dann gab es ja auch eine sogenannte Palatingarde. Das war eine Bürgermiliz. Die stellte dem Papst dann bei besonderen Feierlichkeiten und Zeremonien eine Art Hilfe. Sie war ein Ordnungsdienst. Sie bildete Spalier bei den großen Einzügen. Und dann gab es natürlich eine kleine Gendarmerie-Truppe, die also praktisch den Polizeidienst im Vatikan übernahm.

DOMRADIO.DE: Die Garden haben aber auch mitunter zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg eine Rolle gespielt, oder?

Nersinger: Eine sehr wichtige. Die Palatingarde schützte die sogenannten exterritorialen Besitzungen des Heiligen Stuhls, also alle Besitzungen in Rom, die völkerrechtlich zum Vatikan gehörten. Auf diese Gebiete haben sich Tausende von Flüchtlingen begeben. Politisch verfolgte waren das, aber auch sehr viele jüdische Mitbürger. Und die mussten geschützt werden.

Dann hat man die Palatingarde hinzugezogen, die ursprünglich nur 500 Mann stellte, und man hat sie sogar auf 2000 Mann aufgestockt. Diese Garden bildeten eine Präsenz, und das hat auch den Deutschen beeindruckt – und sie haben dann diese Besitzungen des Heiligen Stuhls nicht verletzt.

DOMRADIO.DE: Dann kam 1970 der Beschluss: "Wir schaffen alle ab bis auf die Schweizergarde." Das ist aber kein Beschluss von heute auf morgen gewesen, oder?

Nersinger: Es zeichnete sich ab nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, weil das Zweite Vatikanische Konzil wollte eben die religiöse Dimension des Petrusamtes stärker dargestellt wissen. Es war natürlich auch so eine Zeit, denken wir an die 68er Jahre, die dann doch solche Formen der staatlichen Präsenz etwas einschränken wollte.

Dann hat sich im Vatikan Papst Paul VI. entschlossen, Nobelgarde und Palatingarde ganz abzuschaffen. Die Gendarmerie wurde in eine zivile Polizeieinheit umgewandelt. Die Schweizergarde aber wurde natürlich beibehalten. Erstens, weil sie wirklich auch für den Papst im Jahr 1527 ihr Leben gegeben hat und weil sie eine damals noch nicht ganz 500-jährige Tradition besaß.

DOMRADIO.DE: Polizei, also Gendarmerie, gibt es ja auch noch heute im Vatikan. Wo ist denn da konkret der Unterschied?

Nersinger: 1970 wurde die Gendarmerie wirklich degradiert, also auch von der Uniform her. Man nahm ihr so den militärischen Charakter. Sie hatte damals, so wie wir das in Italien ja von den Carabinieri kennen, da hatte die Polizei so einen Doppelcharakter. Sie war einerseits Teil der Polizei-Ordnungskräfte, aber auch Teil des Heeres.

Man hat gesagt: Wir werden die Gendarmerie etwas herabstufen, könnte man sagen, zur reinen Polizei. Das zeigte sich dann auch in der Uniform, in der Struktur – und auch in der Bezeichnung. Man hat Vigilanza, Wachchor, gesagt, das hat man einmal vor einigen Jahren etwas zurückgenommen, um auch den in den hoheitlichen Charakter wieder zu unterstreichen. Aber so die richtige einzige Militäreinheit ist weiterhin nur die Schweizergarde.

Das Interview führte Julia Reck.

Über die päpstlichen Garden hat Ulrich Nersinger auch ein Buch geschrieben. Titel: Soldaten des Papstes: Eine kleine Geschichte der päpstlichen Garden.

 

Ulrich Nersinger / © privat
Ulrich Nersinger / © privat
Quelle:
DR