Schauspiel-Legende Mario Adorf zum 90. Geburtstag

Nur der erste Auftritt war verstolpert

Zürich, Rom, Saint Tropez gehören zu den Stationen seines Lebens. Seine Kindheit verbrachte der spätere Schauspieler und Kosmopolit Mario Adorf allerdings im Eifelort Mayen. Über einen Darsteller mit Charakter.

Autor/in:
Joachim Heinz
Mario Adorf / © Fredrik von Erichsen (dpa)
Mario Adorf / © Fredrik von Erichsen ( dpa )

Vielleicht gehört dies ja zu seinen größten Kunststücken: Dass ihm die Kinogänger den Tod von Nscho-tschi verziehen haben. Anfang der 60er-Jahre passierte das, als Mario Adorf in der Winnetou-Trilogie von Harald Reinl den Bösewicht Santer verkörperte und in dieser Rolle die Schwester des Häuptlings der Apachen niederstreckte. "Manche Leute sagen mir immer noch, sie hätten mich damals dafür gehasst", so Adorf, der am 8. September seinen 90. Geburtstag feiert. Zum Glück für Schauspieler und Publikum kamen im Laufe seines langen Lebens eine Fülle weiterer Rollen hinzu.

Wandlungsfähig und gesegnet mit einer guten Portion darstellerischer Präsenz schlüpfte Adorf in die Rolle von Soldaten und Ganoven, Kirchenmännern und Wirtschaftsbossen. Mal ließ er sich als Vatikan-Gärtner Peppino Mancuso von Johannes Paul II. "Geheimnisse eines Papstes" erzählen, mal quälte er als trunksüchtiges Familienoberhaupt Jonas Lauretz in der ZDF-Alpensaga "Via Mala" seine Verwandtschaft. Unvergessen auch sein Auftritt als Generaldirektor Heinrich Haffenloher in der Kult-Serie "Kir Royal": "Isch scheiß disch sowatt von zu mit meinem Jeld."

Rolle in "Der Pate" abgelehnt

Dabei nahm er nicht jeden Job an; schlug hier und da auch ein Angebot aus, etwa eine Rolle in Francis Ford Coppolas "Der Pate". Was Adorf im Gespräch mit dem Journalisten Tim Pröse nonchalant kommentierte: "Aber man wusste ja vorher auch nicht, was der 'Pate' letzten Endes als Film bedeuten würde." Worum er hingegen bereits mit Anfang 20 ganz genau wusste, war seine Liebe zu den Brettern, die die Welt bedeuten. "Das 'Ich will Schauspieler werden' ist zum 'Ich muss' geworden", schrieb er im März 1953 in seiner Bewerbung für die Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München.

Zum Vorsprechen hatte sich der angehende Mime eine Passage aus Schillers "Wallenstein" ausgesucht. Der couragierte Auftritt blieb allen Beteiligten in besonderer Erinnerung, weil Adorf mit den ersten Sätzen etwas zu beherzt auf die Bühne stürmte - und von dort in den Saal stürzte. Mit einem lauten "Scheiße" beendete er unter dem Gelächter der Prüfungskommission die kurze Darbietung. Später sollte er erfahren, dass die Stimme von Hans Schweikart, damals Intendant der Münchner Kammerspiele, den Ausschlag zu seinen Gunsten gegeben hatte. "Probieren wir ihn mal drei Monate aus", meinte der Regisseur. "Er hat zwei Dinge, die mir aufgefallen sind: Kraft und Naivität."

Adorfs Kindheit

Adorf, selbst dem sportlichen Faustkampf zugetan, boxte sich durch. Vielleicht ein Erbe seiner schwierigen Kindheit. 1930 kam er in Zürich als Sohn der deutschen Röntgenassistentin Alice Adorf und des italienischen Arztes Matteo Menniti zur Welt. Seinen Vater, der als verheirateter Mann eine Affäre mit seiner Mutter begonnen hatte, sah Adorf nur ein einziges Mal. Die Verbindung zur Mutter, die kurz nach Marios Geburt zu Verwandten in das Eifelstädtchen Mayen zog, bestand dagegen ein Leben lang.

In dem berührenden Band "Mit einer Nadel bloß" schildert der Schauspieler, wie die alleinerziehende Alice in einem konservativen Milieu als Schneiderin ihren Sohn durch Not und Elend brachte - auch wenn sie ihn zeitweilig in einem von Benediktinerinnen geführten Waisenhaus unterbringen musste. Der junge Adorf erlebte den Aufstieg der Nationalsozialisten in der Provinz mit - und wenige Jahre später die Schrecken des Zweiten Weltkriegs.

Kampf gegen die Geschichtsvergessenheit

Zur Sphäre des Religiösen, das hat der Schauspieler immer wieder erklärt, findet er keinen Zugang. Er sei unfähig zu glauben, aber dennoch nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten, vertraute er einmal der Illustrierten "Bunte" an. "Ich wollte nicht, dass es so aussieht, als sagte ich mich vom Glauben nur los, um die Kirchensteuer zu sparen."

Was ihn indes bis heute umtreibt, ist der Kampf gegen Extremismus und Geschichtsvergessenheit. Im vergangenen November nahm der viel geehrte Darsteller in Köln den Herbert-Strate-Preis für seine Verdienste um den deutschen Film entgegen. Er habe gelesen, dass in Umfragen 20 Prozent der unter 25-Jährigen einen starken Führer wünschten. "Was ist falsch gelaufen?", fragte ein sichtlich erschütterter Adorf. Und nutzte die Gelegenheit, um Gewalt und Morddrohungen gegen Politiker abzukanzeln. Ein großer Auftritt abseits von Bühne und Leinwand.


Quelle:
KNA