Kaiser gibt es eigentlich nur noch in Geschichtsbüchern. Dass der Ehrentitel in Deutschland einem Fußballer zukommt, hat mit der besonderen Persönlichkeit von Franz Beckenbauer zu tun. Der geniale Ballzauberer, Weltmeister als Spieler und Trainer, gilt seit Jahrzehnten als Lichtgestalt des Sports - die inzwischen allerdings nicht mehr ganz so hell strahlt. Schuld daran sind immer noch in der Tiefe des Raums stehende Korruptionsvorwürfe.
Nikolaus Schneider, Mitglied des DFB-Ethikrates, sagte vor einem Jahr über Beckenbauer, der am Freitag 75 Jahre alt wird: "Was könnte der dem Fußball einen Gefallen erweisen, wenn er endlich einmal sagen würde, was mit dem Geld geschehen ist, das im Rahmen der Fußball-WM 2006 in Deutschland versickert ist." Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) steht mit dieser Meinung vermutlich nicht alleine da.
Und Beckenbauer? Schweigt. Schicksalsschläge wie der Tod seines Sohnes Stephan sowie zuletzt gesundheitliche Probleme lasten sichtlich auf den Schultern des Fußball-Ästheten, der mit seiner Leichtigkeit auf und abseits des Platzes immer ein wenig über den Dingen zu schweben schien.
Inspiration durch Papst Benedikt XVI.
Diese Leichtigkeit hat mit seiner "Schau'n mer mal"-Mentalität ebenso zu tun wie mit den Wurzeln des ehemaligen Messdieners aus München-Giesing. Beckenbauer ist religiös durchaus musikalisch - auch wenn der "Kaiser" einst demütig einräumte: "Ich bin ja von Haus aus ein gläubiger Mensch, aber beim regelmäßigen Kirchengang hatte ich geschludert." Und nicht nur dort.
Zurück auf den Pfad der Tugend brachte ihn ein anderer berühmter Deutscher: Joseph Ratzinger, der 2005 als Benedikt XVI. auf den Papstthron rückte. Der Papst habe ihn inspiriert, sich wieder stärker für die Kirche zu interessieren, bekannte Beckenbauer. Die Begegnung mit Benedikt im Oktober 2005 im Vatikan bezeichnete er als "Höhepunkt in meinem Leben". Das Kirchenoberhaupt strahle eine "unglaubliche Würde und Ruhe" aus und sei darüber hinaus noch fußballinteressiert.
In dem Band "Prominente über den Papst", herausgegeben 2012 vom einstigen Papstsekretär Georg Gänswein, schilderte Katholik Beckenbauer, wie ihn die Begegnung mit Benedikt XVI. persönlich verändert habe. Er gehe häufiger zur Kirche, zudem bete er jeden Tag das "Vater unser", daraus schöpfe er Kraft und Stärke. Als der Papst im Jahr darauf überraschend zurücktrat, kommentierte Beckenbauer: "Das ist schade für die katholische Kirche. Für mich war er der beste Papst, den ich erlebt habe. Ich schätze ihn sehr." Ein Foto von der Begegnung im Vatikan führe er stets mit sich.
Eigener WM-Pfarrer 1990
Über den gegenwärtigen Papst gibt die Suche in den Archiven nicht so viel her. Immerhin: Als sich Jorge Mario Bergoglio nach seiner Wahl 2013 den Namen "Franziskus" gab, glaubte mancher Sportsfreund prompt, er habe sich nach dem "Kaiser" benannt. "Mehr kann man nicht verlangen als Fußballfan", lautete ein Kommentar im Netz.
1990 hatte Beckenbauer als Teamchef der DFB-Auswahl übrigens einen eigenen WM-Pfarrer mit nach Italien genommen. Noch heute heißt es, der deutsche Turniersieg gehe nicht unwesentlich auf Kapuzinerpater Matthias Doll zurück. "Da kommt der Pater, der uns geholfen hat, Weltmeister zu werden", sagte Beckenbauer stets, wenn beide sich trafen.
Zuviel Schatten für die Lichtgestalt
Einen ausgeprägten Hang zur Frömmigkeit hat der belesene, bisweilen auch tiefgründig argumentierende Beckenbauer wohl weniger. Er selbst bekundete gelegentlich Sympathien für fernöstliche Philosophie und den Gedanken der Wiedergeburt. Amtskirchlich beäugte Fehltritte brachten ihn dagegen nicht ins Grübeln. Dreimal war der "Kaiser" verheiratet, seiner aktuellen Gattin Heidi kam er bei einer legendären FC-Bayern-Weihnachtsfeier näher, deren Folgen er später in die ebenso legendären Worte kleidete: "Der liebe Gott freut sich über jedes Kind."
Während der WM 2006 zog Beckenbauer dann die Hochzeit nach - im allerkleinsten Kreis. "Es war sogar so geheim, dass im Standesamt zunächst kein Licht anging und alles dunkel war." Zuviel Schatten für die Lichtgestalt. "So geheim braucht's ihr das auch nicht zu halten", wandte sich Beckenbauer an die Beamten. "Und es wurde Licht."