Päpstliche Projekte im Herbst des Pandemiejahres 2020

Was auf Franziskus' Schreibtisch liegt, wenn er nicht reist

Zwar tritt Franziskus nun wieder vor Menschengruppen auf und ist nicht mehr nur online zu sehen. Dies geschieht aber nur im Vatikan. An Papstreisen ist mittelfristig nicht zu denken. Dafür liegt genügend auf seinem Schreibtisch.

Autor/in:
Roland Juchem
Papst Franziskus sendete eine Videobotschaft / © Vatican Media (KNA)
Papst Franziskus sendete eine Videobotschaft / © Vatican Media ( KNA )

Die Meldung, dass Franziskus am 3. Oktober nach Assisi reist, ist in der Tat eine Neuigkeit. Nicht nur, weil er dort seine neue Enzyklika "Fratelli tutti" unterzeichnet. Erstmals seit Ende Februar verlässt er auch den Vatikan - von einzelnen Gebetsbesuchen in römischen Kirchen abgesehen. Der Besuch in Assisi aber solle wegen der Pandemie rein privat sein, ließ Franziskus wissen: keine Gläubigen, keine Schaulustigen, nur einzelne örtliche Kirchenvertreter und wenige Medien.

Bei dem Blitzbesuch in Assisi mag das gehen, nicht aber bei anderen Papstreisen - weder in Italien, schon gar nicht international. Ohne Menschenmassen und große Gottesdienste ist ein Papstbesuch nicht vorstellbar. Ob der Vatikan damit wartet, bis es tatsächlich weltweit einen Impfstoff gibt? Schon möglich. Es wäre der GAU schlechthin, wenn sich bei Massenveranstaltungen mit dem päpstlichen Segen auch das Coronavirus unter den Menschen verteilte. Größere Treffen anderer Kirchen in verschiedenen Ländern sind warnende Beispiele.

Lange Vorbereitung

Ein zweiter Grund, weshalb noch eine Weile auf Papstreisen zu warten ist: Diese brauchen eine oft monatelange Vorbereitung. Der päpstliche Reisemarschall, Sicherheitspersonal, der liturgische Zeremoniar und andere müssen dafür mitunter mehrmals ins Zielland reisen. Auch dies geht derzeit nur sehr begrenzt.

Zudem ist der bisherige Cheforganisator für Auslandsreisen, Mauricio Rueda Beltz, an die Apostolische Nuntiatur nach Lissabon versetzt, ein Nachfolger bisher nicht ernannt. In Lissabon könnte er helfen, den bereits von 2022 auf 2023 verschobenen Weltjugendtag zu organisieren. 

Über geplante Termine kann man nur spekulieren

Ob die für 22. November angekündigte Übergabe des Weltjugendtagskreuzes von Panama an Portugal in Rom noch steht, ist nicht bekannt. Und ob ein Kurzbesuch von Franziskus bei dem auf September 2021 verschobenen Eucharistischen Weltkongress in Budapest die päpstliche Reisepause beenden könnte, ist pure Spekulation.

Über mangelnde Beschäftigung dürfte sich das Kirchenoberhaupt aber nicht beklagen. Bereits kommenden Dienstag wird ein Auftritt des Kirchenoberhauptes vor den Vereinten Nationen erwartet, die dann ihren 75. Geburtstag begehen. Wie andere hochrangige Vertreter könnte der Papst vor der Generalversammlung eine aufgezeichnete Videoansprache halten.

Enzyklika "Fratelli tutti"

Am 3. Oktober folgt die Enzyklika "Fratelli tutti"; das vermutlich sehr umfangreiche Schreiben - bis zuletzt wird noch daran gearbeitet - dürfte kurz darauf auch veröffentlicht werden. Am 15. Oktober findet der vom Papst angeregte globale Bildungspakt statt, allerdings nur virtuell. Auch hier wird eine Videobotschaft von ihm erwartet.

Außerdem erwarten nicht nur Vatikanbeobachter das finale Dokument zu Franziskus' Kurienreform. "Praedicate Evangelium" (Verkündet das Evangelium), so der Titel, soll dem Vernehmen nach auf dem Schreibtisch des Papstes liegen. Ein erster Entwurf, der an Bischofskonferenzen, Kirchenrechtler und Kurienchefs verschickt wurde, stieß insbesondere bei letzteren auf wenig Begeisterung.

Warten auf Untersuchungsbericht zur Causa "McCarrick"

Zudem macht derzeit die lang geplante Reform des kirchlichen Strafrechts eine wohl abschließende Runde in der Kurie. Wann die neue Fassung des VI. Buches des Codex Iuris Canonici (CIC) "Strafbestimmungen in der Kirche" vorgestellt und in Kraft gesetzt wird, ist noch unklar.

Schließlich wartet man - nicht nur in den USA - auf den schon lange versprochenen vatikan-internen Untersuchungsbericht zur Causa "McCarrick". Nach den heftigen Vorwürfen von Ex-Nuntius Carlo Maria Vigano im August 2018, wie der frühere US-Kardinal Theodore McCarrick trotz bekannter Vorwürfe über sexuelles Fehlverhalten in der Weltkirche Karriere machen konnte, war Aufklärung versprochen worden. 

Kaum neue Kardinäle zu erwarten

Franziskus hatte McCarrick bereits im Sommer 2018 aus dem Kardinalsstand und im Januar 2019 auch aus dem Klerikerstand entlassen. Neue Kardinäle sind derzeit auch kaum zu erwarten.

Zum einen ist die vorgesehene Wählerschaft für einen eventuellen Franziskus-Nachfolger derzeit noch stark genug: 122. Erst im März kommenden Jahres sinkt ihre Zahl unter die vorgesehenen 120 - vorausgesetzt es stirbt keiner von ihnen vorher. Auch wäre eine internationale Kardinalsversammlung in Rom derzeit schlecht möglich.


Quelle:
KNA