Die Bilder über die katastrophalen Zustände der Flüchtlingslager auf den griechischen Insel haben die Situation in Syrien - dem Heimatland vieler Flüchtlinge in den Hintergrund rücken lassen. Dabei wird die Situation für die Menschen dort nach fast zehn Jahren Krieg laut Angaben von Experten immer verzweifelter. Sie forderten am Dienstag in Berlin mehr Hilfe für die syrische Bevölkerung.
Die derzeitige Situation sei "miserabel", sagte der Leiter von Caritas International, Oliver Müller. In den vergangenen Wochen habe sich die Situation durch die Corona-Pandemie noch einmal zugespitzt. Vor den Krematorien gebe es inzwischen Schlangen.
Seinen Angaben zufolge ist etwa die Hälfte der Bevölkerung von rund 21 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. 83 Prozent der Syrer seien arm. Das Gesundheitswesen sei zur Hälfte zerstört. Infolge der US-Politik kam es Müller zufolge zudem zu enormen Preissteigerungen.
Caritas: In Infrastruktur investieren
Der Caritas-Vertreter plädierte dafür, stärker in die Basisinfrastruktur zu investieren, damit die Menschen eine "minimale Möglichkeit haben, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen". Allerdings wandle man wegen der politischen Situation in den vom Regime kontrollierten Gebieten auf einem schmalen Grat. Hilfsorganisationen müssten dazu Spielräume vor Ort nutzen. Er sprach bei einer Veranstaltung von Caritas International und dem Centre For Humanitarian Action.
Ähnlich äußerte sich die Politologin Muriel Asseburg, die Mitglied im Expertenforum Asyl und Migration beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist. Sie plädierte dafür, nicht nur "reine Nothilfe" zu leisten. Deutschland, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne habe, müsse verstärkt versuchen, eine bessere Kooperation der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen.
Der Beauftragte für Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Thomas Zahneisen, betonte, die humanitäre Hilfe müsse in den kommenden Monaten auf jeden Fall ausgeweitet werden. Ansonsten müssten "äußerst drastische Maßnahmen" ergriffen werden. So müssten etwa in Idlib die täglichen Nahrungsrationen um rund 1.000 Kalorien verringert werden.
Ökonomin: Versorgung von Nordsyrien gefährdet
In den vom Regime kontrollierten Gebieten sei die humanitäre Hilfe "extrem schwierig", so Zahneisen. Ein Monitoring dort sei kaum möglich. Es müsse ständig abgewogen werden, "wie weit wir gehen wollen". Es gebe aber "keinen Plan B zum Welternährungsprogramm" und keine Alternative etwa zur Zusammenarbeit mit dem syrischen Arabischen Roten Halbmond. Teilweise werde am Aufbau einer Basisinfrastruktur gearbeitet, wegen der politischen Situation sei aber auch das sehr schwierig.
Die syrische Ökonomin Salam Said, kritisierte, schon jetzt würden die Menschen in Nordsyrien nicht richtig versorgt. Sie bräuchten etwa dringend sauberes Wasser. Sie forderte weiter, dass unabhängige Körperschaften im Regierungsgebiet das Monitoring übernehmen müssten und dass es Sanktionen für das Assad-Regime geben müsse, sollte dies nicht zugelassen werden.