Bestätigung für neue US-Verfassungsrichterin Barrett in Gefahr?

"Notfalls im Astronautenanzug"

Die Republikaner zeigen sich entschlossen, Amy Coney Barrett als Richterin am Supreme Court durchzusetzen. Sie kämpfen gegen zwei starke Kräfte der Natur: Die Zeit und Covid-19. Doch einige Politiker scheinen wild entschlossen zu sein.

Autor/in:
Thomas Spang
Richterkandidatin Barrett bei Gesprächen im Kapitol / © Erin Schaff/Pool The New York Times/AP (dpa)
Richterkandidatin Barrett bei Gesprächen im Kapitol / © Erin Schaff/Pool The New York Times/AP ( dpa )

Der republikanische Senator von Wisconsin, Ron Johnson, verspricht, notfalls "im Astronautenanzug" ins Kapitol zu kommen, um seine Stimme der von Donald Trump nominierten Kandidatin für das Verfassungsgericht zu geben. Ob der Covid-19-Patient in einem solchen Aufzug tatsächlich in den ehrwürdigen Senat käme, darf bezweifelt werden. Nicht aber die Entschlossenheit der Republikaner, das von der liberalen Richter-Ikone Ruth Bader Ginsburg hinterlassene Vakuum noch vor den Wahlen mit einer der Ihren zu füllen.

"Wo es einen Willen gibt, findet sich auch ein Weg", gibt sich Johnson kämpferisch, der sich wie eine Reihe anderer Mitglieder der "Grand Old Party"-Elite bei Barretts Nominierungsparty vergangenen Samstag im Weißen Haus infiziert hatte. Doch was machen die Republikaner, wenn ihnen die Zeit davonläuft oder der Virus sich im eigenen Lager weiter ausbreitet?

Schon jetzt ist die Arithmetik im Senat schwierig. Mindestens drei Senatoren infizierten sich an dem potenziell tödlichen Erreger: Mike Lee aus Utah, Thom Tillis aus North Carolina und Johnson. Die Senatoren Tillis und Lee gehören dem Justizausschuss an, der als erster über die katholische Rechtsprofessorin und Bundesrichterin am siebten Bezirksgericht abstimmen muss.

Abstimmung könnte sich verzögern

Die Regeln des Ausschusses sehen vor, dass Barrett auf Antrag eines einzelnen Mitglieds ein Quorum der "anwesenden Senatoren" erreichen muss. Wenn ein Demokrat im Ausschuss dies verlangt - was wahrscheinlich ist -, würde sich die Abstimmung um mindestens eine Woche bis kurz vor dem Wahltag verzögern.

Die Statuten des Senats verlangen, dass die Senatoren bei der Abstimmung selbst anwesend sein müssen. In der Vergangenheit hieß das: physisch anwesend. McConnell versucht die Bestimmung zu dehnen, indem er sagt, es könne genauso legal sei, die Stimme virtuell an einem anderen Ort abzugeben

Falls das nicht klappt, könnte der republikanische Senatsführer Mitch McConnell versucht sein, das Justizkomitee komplett zu umgehen, um die Abstimmung direkt ins Plenum zu bringen. Dort erwartet ihn allerdings die nächste Hürde. Die Senatorinnen Susan Collins und Lisa Murkowski haben bereits erklärt, dass sie nicht über eine Supreme-Court-Kandidatin entscheiden wollten, ohne den Willen der Wähler bei der Präsidentschaftswahl abzuwarten. Das schrumpft die republikanische Mehrheit im Senat für Barrett von 53 auf 50 Stimmen.

Trumps rechte Hand im Senat, Lindsey Graham, verkündete davon unbeeindruckt, der Präsident sei begeistert von der Aussicht, im Senat bestätigt zu werden.

Wie ihr Vorbild im Weißen Haus lassen die Republikaner auf dem Kapitolshügel nichts unversucht, die Pandemie vergessen zu machen.

Notfalls auf dem Krankenbett in den Senat?

Sie legen bei dem Nominierungsverfahren ein Tempo vor, das vielleicht eine Generation lang eine konservative Mehrheit im obersten Gericht der USA sichern könnte. In der Woche um den 12. Oktober setzt McConnell Anhörungen an, die darauf abzielen, Barrett zu bestätigen.

Je nachdem, wie die Dinge für ihn laufen, könnte es aber vor dem Wahltag am 3. November knapp werden, Barrett durch den Senat zu drücken. Der Minderheitsführer Chuck Schumer erklärte am Montag, es sei angesichts der Pandemie "zu gefährlich für Sitzungswochen im Senat".

Dasselbe gelte selbstverständlich für Treffen der Komitees. Die Nominierung sollte deshalb auf die Zeit nach den Wahlen verlegt werden. Senator Tom Cotton aus Arkansas hält dagegen. Es gebe "eine lange Tradition, Senatoren notfalls auf dem Krankenbett in den Kongress zu rollen, um wichtige Stimmen abzugeben". Dies sei auch diesmal vorstellbar. Senatsführer McConnell kann sich keine großen Fehler leisten. Am meisten muss er befürchten, dass sich weitere Republikaner anstecken. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse von 53 zu 47 muss in dem engen Zeitkorsett alles reibungslos über die Bühne gehen.

Die Feier zu ihren Ehren im Weißen Haus am Samstag vor einer Woche steht nun als "Superspreader"-Event im öffentlichen Bewusstsein.

Wegen des eher laxen Umgangs des Präsidenten und seiner Partei mit dem Virus hängt die Nominierung Amy Coney Barretts am seidenen Faden.


Quelle:
KNA