KNA: Wie kam es zur Entstehung von Nightfever?
Pfarrer Andreas Süß (Mitinitiator der Nightfever-Initiative): Am 20. August 2005 fand auf dem Marienfeld ein beeindruckendes Nachtgebet mit dem frisch gewählten Papst Benedikt XVI. und rund 200.000 Jugendlichen statt. Diese besondere Atmosphäre wollten wir am 29. Oktober in der Bonner Gemeinde St. Remigius - einem geistlichen Zentrum während des WJT - noch einmal in kleinerer Form aufleben lassen.
Die Resonanz war riesig - bis Mitternacht war die Kirche voll. Allen Mitwirkenden verschiedener Studienrichtungen, Gemeinschaften und Orden war danach klar: Es muss weitergehen. Und seitdem gab es dann jeden Monat in der Pfarrei St. Remigius ein «Weltjugendtag goes on-Nightfever».
KNA: Aber nicht nur dort. Wie hat sich die Bewegung weiter entwickelt?
Süß: Ich habe die Idee nach meinem Studium mit nach Freiburg genommen. Bald fanden die Angebote auch in der Mainzer Augustinerkirche, in der Erfurter Lorenzkirche oder im Kölner Dom statt. Es wurde klar, dass das Konzept auch in anderen Städten mit jungen Leuten zwischen 16 und 35 funktioniert. Bislang wissen wir von 4.218 Nightfever-Abenden in 27 Ländern weltweit, in 452 Städten auf allen Kontinenten außer Afrika. Junge Leute laden andere ein, auch über die sozialen Medien ist die Bewegung immer bekannter geworden.
KNA: Wie läuft eine Nightfever-Veranstaltung ab?
Süß: Junge Leute, die den Abend vor Ort vorbereiten, gestalten meist schon die Abendmesse der jeweiligen Gemeinde mit. Im Anschluss laden sie Passanten ein, eine Zeit in die Kirche zu kommen, auszuruhen, eine Kerze anzuzünden. Auch wenn sie eine andere Abendplanung haben, nehmen sie das Angebot gerne an. Einen kurzen Augenblick findet fast jeder. Manche stecken eine Kerze für den guten Ausgang ihrer Klausur an, andere für einen kranken Freund.
Sie kommen in eine Kirche, die mit Licht und musikalischen Darbietungen eine angenehme Atmosphäre ausstrahlt. In ihrem Zentrum ist die Monstranz platziert, als Zeichen, dass Gott auf uns wartet und Jesus in unserer Mitte ist. In dieser Atmosphäre kann jeder buchstäblich Schritte auf Gott zumachen - so wie es ihm gefällt. Der eine bleibt in der hintersten Bank sitzen, andere wagen sich weiter vor, formulieren eine Fürbitte oder einen Dank. Manche, die nur kurz reinkommen wollten, bleiben dann doch den halben Abend. In der Regel sind alle Menschen sehr berührt von der besonderen Atmosphäre.
KNA: Es gibt also kein festes Programm, jeder kann kommen und gehen, wann er möchte?
Süß: Genau, viele kommen auch mit einem der anwesenden Priester über einen Bibelvers oder ihre persönliche Lebenssituation ins Gespräch, lassen sich segnen oder empfangen das Sakrament der Versöhnung. Viele kommen auch in ein gutes Gespräch mit den jungen Leuten vor der Kirche, die darüber berichten, warum es ihnen wichtig ist, dass Passanten eine Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes machen können.
Bei einem Nightfever-Abend ist Gottes Wirken erlebbar. Wir schauen Gott quasi dabei zu, wie er wirkt. Denn wir sind uns sehr bewusst, dass das nicht nur unsere Ansprache ist. Wir sind überzeugt, dass Gott selbst mit den Menschen in Beziehung ist, die unserer Einladung folgen und sich von dem Angebot berühren lassen.
KNA: Was spricht junge Menschen bei Nightfever an, das sie in der Kirche sonst vielleicht vermissen?
Süß: Sie haben ein Gespür für Echtheit und sind offen für lebensnahe Impulse. Wir möchten sie auf ihrem Weg begleiten und in ihrem Selbstbewusstsein als Christen in der Welt bestärken. Bei Nightfever tragen die jungen Organisatoren - selbst in den größten deutschen Gotteshäusern - alleine die Verantwortung für den gesamten Abend. Sie formulieren Texte und Gebete, gestalten die Liturgie und den Kirchenraum, laden die Passanten ein. Dieses geschenkte Vertrauen schätzen sie sehr.
KNA: In Corona-Zeiten findet die Andacht nur mit besonderem Schutzkonzept und online statt. Hat das Nigthfever verändert?
Süß: Nightfever lebt von dem spontanen Eingeladenwerden; solche Feiern sind derzeit leider kaum möglich. So sind wir ins Internet gegangen und haben so zu den Veranstaltungen eingeladen. Es gab in den vergangenen Monaten verschiedene Online-Angebote und einige wöchentliche Gebetskreise. Einige Nightfever-Abende wurden auf YouTube, Facebook und Instagram gestreamt, via Kommentarfunktion konnten Fürbitten formuliert oder der Wunsch geäußert werden, eine Kerze anzuzünden.
Wir versuchen weiter, über Instagram, WhatsApp oder Skype miteinander in Kontakt zu bleiben. Anfang November bieten wir in Erfurt wieder einen Kurs für Neugierige an, die mehr über den Glauben erfahren möchten.
KNA: Was ist aus Ihrer Sicht außer Nightfever vom Kölner WJT geblieben?
Süß: Für alle, die ihn erlebt haben, war er sicherlich eine Stärkung im Glauben. Dass sie Menschen aus aller Welt so herzlich aufgenommen haben, hat die Gemeindemitglieder bereichert und sie ermutigt, noch offener gegenüber Menschen zu werden, die nicht zur Kerngemeinde gehören.
Bei vielen ist auch das Gemeinschaftsgefühl geblieben, wirklich einer Weltkirche anzugehören. Das habe auch ich gemerkt, als ich vier Jahre später als Pfarrer mit jungen Leuten aus meiner Gemeinde zum WJT nach Australien geflogen bin. Wir wurden überall herzlich aufgenommen. Das war für mich die Erfahrung von Christsein: Ich gehöre zu dieser großen Familie. Aus dieser unendlich verbindenden Kraft können wir immer schöpfen.
Das Interview führte Angelika Prauß.