Mediziner über Suizidhilfe

Kritik an "fehlgeleiteter Debatte"

17 namhafte Suizidforscher und Palliativmediziner warnen vor einer fehlgeleiteten Debatte über Selbsttötungen in Deutschland. Der am Montag von der ARD geplante Fernsehfilm verkürze und verzerre die Debatte.

Frau blickt aus dem Fenster / © Chayanin Wongpracha (shutterstock)
Frau blickt aus dem Fenster / © Chayanin Wongpracha ( shutterstock )

In einem am Samstag veröffentlichten Offenen Brief an den Autor Ferdinand von Schirach begrüßen sie die durch dessen Theaterstück und Buch "Gott" ausgelöste Debatte über Suizide. Zugleich kritisierten sie aber, dass das am Montagabend in der ARD als Film gezeigte Stück Verkürzungen und Verzerrungen enthalte. Auch fehlten die Positionen der modernen Suizidprävention. Der Brief liegt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vor.

Schirachs Werk drehe sich zentral um die Frage, ob es ein Recht auf Suizid gebe, schreiben die Unterzeichner. Das sei aber gar nicht mehr groß umstritten. "Jeder hat das Recht, sich das Leben zu nehmen." Dieses Recht sei sogar die Grundlage für Suizidprävention: "Denn wie soll man mit suizidgefährdeten Menschen in ein Gespräch kommen, wenn man ihnen dieses Recht abspricht?"

Entscheidend sei, ob es einen Rechtsanspruch gibt

Entscheidend ist nach Darstellung der Unterzeichner aber die Frage, ob es einen Rechtsanspruch auf einen assistierten Suizid gibt und ob dieser Anspruch den Menschen in Notlagen gerecht wird. In dieser Debatte werde oft übergangen, dass die meisten Menschen mit Suizidwunsch vor allem den Wunsch hätten, dass sich andere Menschen ihrer Not annähmen, mit ihnen einen gemeinsamen Ausweg aus der krisenhaften Situation suchten und mit ihnen zu einer selbstbestimmten Entscheidung gelangten.

"Am Ende kann dies - wenn auch eher selten - in einen Suizid münden. Meist finden sich andere Lösungen. Allerdings endet diese Arbeit nicht darin, dem Protagonisten ein Suizidmittel zur Verfügung zu stellen", heißt es. Schirachs "Gott" negiere und entwerte die Arbeit von tausenden in Deutschland tätigen Medizinern, Psychiatern, Palliativmedizinern, Pflegekräften, Seelsorger, Mitarbeiter von Hospizen, Krisendiensten und Beratungsstellen, der Polizei, Feuerwehr oder Ehrenamtlichen, die mit suizidalen Menschen zu tun haben. Diese Menschen kommen nicht zu Wort.

Folgen eines Suizids für die Familie

Viel zu kurz kommt nach Ansicht der Unterzeichner in Schirachs Werk auch die Frage, welche Folgen ein Suizid für Familie, Freunde und das Umfeld hat. "Was tun wir mit dem assistierten Suizid auch uns, unseren Beziehungen, unseren Leidenden und Kranken, unseren Alten und nicht zuletzt der Zukunft unserer Gesellschaft an?"

Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderem vom Bonner Palliativmediziner Lukas Radbruch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin ist, den Palliativmedizinern Roman Rolke (Aachen), Friedemann Nauck (Göttingen), Christoph Ostgathe (Erlangen) und Arno Drinkmann (Eichstätt), der Pflegewissenschaftlerin Henrikje Stanze (Bremen) oder den Psychiatern und Psychologen Ute Lewitzka (Dresden) und Andreas Reif (Frankfurt).

ARD-Fernsehfilm wird am Montag gezeigt

Die ARD strahlt am Montag den Fernsehfilm zu Ferdinand von Schirachs neuem Theaterstück »Gott« aus. In dem Stück, das im September auf mehreren Bühnen Premiere hatte und auch als Buch herausgekommen ist, werden in einem fiktionalen Ethikrat Themen wie Beihilfe zum Suizid, Selbstbestimmung am Lebensende und die Frage debattiert, wem mein Leben gehört. Die Zuschauer sind dazu eingeladen, nach der Sendung multimedial abzustimmen und mitzudiskutieren. Das Ergebnis wird anschließend Thema in der Sendung »Hart aber fair«.

Im Februar hatte das Bundesverfassungsgericht ein weit reichendes Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben formuliert. Es schließe die Freiheit ein, auch die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, so die Karlsruher Richter.


Quelle:
KNA