Was haben der deutsche Klima-Experte Hans Joachim Schellnhuber, der japanische Genforscher Takashi Gojobori oder die US-amerikanische Neurowissenschaftlerin Maryanne Wolf gemeinsam? Sie alle sind Mitglied in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Deren Wurzeln reichen bis ins Jahr 1603.
Damit ist die Akademie älter als ihr britisches Pendant, die ehrwürdige Royal Society von 1660, oder die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina von 1652. Was treibt die von ihren Kollegen gewählten und vom Papst ernannten elf Frauen und 67 Männer - darunter 21 Nobelpreisträger - derzeit um?
Verbindung von Wissenschaft und Ethik
Einer, der das ziemlich gut weiß, ist Joachim von Braun. Seit 2017 leitet der 70-jährige Agrarwissenschaftler aus Bonn die Akademie, die aus verschiedenen Gründen ein einzigartiges Konstrukt ist, wie er betont: Keine andere Religionsgemeinschaft leiste sich eine vergleichbare Einrichtung und in keiner anderen Akademie werden die Mitglieder sowohl geheim gewählt als auch letztlich durch den Staatschef, im konkreten Fall den Papst, ernannt. Zur inhaltlichen Ausrichtung sagt von Braun: "Die Verbindung von Wissenschaft und Ethik macht die Akademie besonders."
Eine Kombination, die gerade ziemlich gefragt ist. Corona stellt die Menschheit nicht nur vor wissenschaftliche Herausforderungen, sondern auch vor Gerechtigkeitsfragen, etwa bei der künftigen Verteilung von Impfstoffen. "Wir treten dafür ein, dass Welt nicht noch weiter in Ungleichheit abdriftet, sondern in der Krise zusammenfindet", umschreibt von Braun die Botschaft des Gremiums. Eine "neue Form der Solidarität" ist das Ziel, mehr Aufmerksamkeit für benachteiligte und kranke Menschen rund um den Globus.
Aus der Akademie kommen deswegen gesundheitspolitische Analysen, Vorschläge für eine faire Verteilung künftiger Impfstoffe - aber auch der Appell, das spirituelle Leben nicht verkümmern zu lassen. Die Menschheit tue in unruhigen Zeiten wie diesen gut daran, die biblischen Psalmen neu zu entdecken, heißt es in diesem Zusammenhang.
Keine rein katholische Akademie
Gibt es keine Vorbehalte gegenüber einer möglicherweise zu engen Verbindung zwischen Kirche und Wissenschaft? "Solche Vorbehalte gibt es hauptsächlich in den Medien, treffen aber nicht zu", entgegnet von Braun. Die Akademie agiere unabhängig, zu den Mitgliedern zählten zudem nicht nur Katholiken, sondern auch Christen andere Konfessionen, Juden und Muslime oder Buddhisten, fügt der Präsident hinzu, der selbst evangelisch ist.
Mit der Wiederbegründung 1936 habe der Vatikan gezeigt, dass er eine frei agierende Wissenschaft als wichtigen Faktor der Erkenntnisgewinnung ansehe, erläutert von Braun. "Das war ein sehr mutiger Schritt." Die Ausführungen etwa zu den Konsequenzen der Atombewaffnung in den 1950er-Jahren hätten nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch in Politik und Gesellschaft Gehör gefunden.
Genauso wie eine in diesem Frühjahr veröffentlichte Publikation zu Klimawandel und Gesundheitspolitik. Die sei in den ersten zwei Wochen nach Erscheinen über 100.000 mal heruntergeladen worden, berichtet von Braun. Vor allem die jüngere Generation interessiere sich dafür.
Katholische Kirche und junge Leute
"Fridays for Future liest dieses Buch." Vatikan und Internet, die katholische Kirche und junge Leute - diese Begriffspaare mögen in den Ohren mancher Zeitgenossen erstaunlich klingen. Aber zumindest hier scheint es zu funktionieren.
Unterdessen treibt die Akademie ihre Vernetzung weiter voran. Eigentlich kommen die Wissenschaftler zu ihren Tagungen in der manieristischen Casina Pio IV zusammen, einem ehemaligen päpstlichen Sommerhaus in den Vatikanischen Gärten. Angesichts der Corona-Pandemie ist das derzeit nicht möglich.
Stattdessen fanden bereits drei Konferenzen virtuell statt. Eine Premiere, an die sich die Organisatoren - der Präsident, Kurienbischof Marcelo Sanchez-Sorondo als Kanzler und das Akademiesekretariat im Vatikan - schnell gewöhnt haben. "Die Beteiligung hat sich erhöht und wir können verstärkt junge Wissenschaftler zu unseren Meetings einladen", sagt von Braun. Er klingt alles andere als unglücklich dabei.