DOMRADIO.DE: Was haben Sie im ersten Moment gedacht, als Sie von der Amokfahrt gehört haben?
Bischof Stephan Ackermann (Bischof von Trier): Die Amokfahrt hat sich ja fast vor unserer Haustür abgespielt. Man hat kurz vor zwei Uhr mitbekommen, wie immer mehr Martinshörner hier in der Stadt zu hören sind, auch hier vor der Haustür, vor dem Bischofshaus, auf dem Domfreihof, und sich versammeln. Da war schon klar, da kündigt sich Schlimmes an.
Zunächst war das überhaupt nicht zu überblicken. Und dann, nach und nach wurde klar, was für eine schreckliche Tat sich da ereignet hat.
DOMRADIO.DE: Triers Bürgermeister hat gesagt, "wir sehen solche Bilder im Fernsehen und denken, das kann bei uns nicht passieren." Ging es Ihnen auch so?
Ackermann: Ja. Ich glaube, wir haben ein bisschen die Vorstellung gehabt, dass Trier irgendwie im Windschatten liegt. Man muss schon sagen, die Stadt und die Region sind ja eher Orte, an denen es jetzt Gott sei Dank nicht, sagen wir mal, regelmäßig zu schweren Straftaten und Verbrechen kommt. Man hat gedacht, gut, das ist alles doch bei uns ein bisschen beruhigter. Aber jetzt ist eben Trier auch betroffen.
Dieser Mann ist mit seinem Wagen praktisch quer durch die Innenstadt gefahren, durch das Herz der Innenstadt. Das ist schon unglaublich schrecklich.
DOMRADIO.DE: Wie sehr überschattet dieser Vorfall jetzt die ohnehin schon seltsame Adventszeit?
Ackermann: Das macht das Ganze jetzt nur noch schlimmer. Wir hätten sonst hier ja Weihnachtsmarkt gehabt, es wären andere Vorkehrungen getroffen worden. Jetzt ist es hier eigentlich relativ still in der Innenstadt und nun passiert ein solches Unglück. Das bedrückt die Menschen schon sehr. Zunächst ist man einfach fassungslos, weil das so aus heiterem Himmel kommt. Ich glaube, das verstärkt die Verunsicherung zusätzlich.
Man hat sich eher sicher gefühlt hier. Klar, jeder weiß im Kopf, dass es keine totale Sicherheit gibt. Aber emotional ist das, denke ich, eine schwere Belastung. Man wird sicher in den nächsten Tagen erst wirklich spüren, was das bedeutet.
DOMRADIO.DE: Sie haben gestern Abend zum ökumenischen Gebet im Trierer Dom eingeladen und es haben einige wahrgenommen, oder?
Ackermann: Ja, es waren sicher gut 150 Personen im Dom versammelt, würde ich schätzen. Das ist jetzt auch noch die Frage unter Corona-Bedingungen, wie geht das. Aber das ging, ließ sich gut organisieren, dass die Menschen kommen konnten. Da ist auch jetzt Platz genug im Dom. Uns war einfach wichtig, dass wir den Dom öffnen. Der war dann auch, nachdem die Polizei zunächst den Dom geschlossen hatte, solange sie den Täter noch nicht gefasst hatten, nachmittags geöffnet. Man konnte an einer bestimmten Stelle auch Kerzen anzünden, zum Gebet kommen.
Und gestern Abend ging es wirklich darum, für die Toten zu beten, für die, die schwerverletzt sind und für diejenigen, die das auch in unmittelbarer Nähe mitbekommen haben. Unser Generalvikariat, also die bischöfliche Behörde, ist ja nicht weit entfernt. Auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von uns waren in der Mittagspause in der Stadt unterwegs. Manche haben das unmittelbar mitbekommen. Wir wollten einfach der Sprachlosigkeit einen Ausdruck zu geben. Da hilft das Gebet, da hilft der Raum, da hilft auch die Musik, um den Tag in dem Sinne auch abschließen zu können oder ein bisschen ablegen zu können. Das war, glaube ich, ein wichtiger Moment.
Das Interview führte Tobias Fricke.