DOMRADIO.DE: Wir hängen ja gerade zwischen den Jahren. Eigentlich werden jetzt die nächsten Geburtstage, Urlaube, Events geplant. Wie machen wir das denn jetzt am besten?
Prof. Dr. Horst Opaschowski (Zukunftsforscher): Wir haben uns natürlich abgewöhnt, langfristig zu planen. Ich glaube, das kleine Glück besteht jetzt darin, sich Ziele zu setzen, die man auch in den nächsten Tagen oder Wochen erreichen kann. Dagegen steht die Fernreise noch in den Sternen.
DOMRADIO.DE: Was gibt uns denn jetzt Hoffnung, wenn wir uns gerade nicht auf diese Dinge vorbereiten können, weil sie vielleicht nicht stattfinden können?
Opaschowski: Die Hoffnung ist ja in den Menschen selbst begründet. Bisher haben wir immer gefragt, wie geht es Ihnen. Heute sagen wir, bleiben Sie gesund. Das ist fast schon ein Befehl. Was uns antreibt, ist unsere Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. Gesundheit ist mittlerweile das höchste Gut im Leben geworden. Und die Familie natürlich.
DOMRADIO.DE: Also den Fokus eher darauf legen. Warum planen wir Menschen eigentlich so gerne? Warum wollen wir Struktur in unser Leben, in unser Jahr bringen?
Opaschowski: Sogar ein Hundertjähriger will wissen, wie es weitergeht. Jeder Mensch braucht eine Perspektive, sozusagen eine Anleitung zum aktiv sein. Der Mensch ist nicht zur Untätigkeit geboren. Was auch erklärt, warum viele Menschen im hohen Alter oft depressiv sind. Weil sie nicht mehr gefordert werden, weil sie nicht mehr gebraucht werden, weil sie gesellschaftlich ja nicht mehr so anerkannt sind wie vorher. Und deswegen ist es wichtig, weiterhin eine Perspektive zu haben.
Als der spanische Musiker Pablo Casals mal gefragt wurde, warum er mit 92 noch Cello spielt, sagte er: Weil ich Fortschritte mache. Das ist es was wir brauchen. Fortschritte, nicht Rückschritte.
DOMRADIO: Eine repräsentative Umfrage hat ergeben, wie wir Deutschen das Jahr 2021 angehen. Was ist dabei herausgekommen?
Opaschowski: Überraschendes. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sieht dem kommenden Jahr mit vorsichtigem Optimismus entgegen. Es gibt eine Art ambivalentes Lebensgefühl zwischen Testen und Impfen, zwischen Sorge und Zuversicht.
Denken Sie daran, dass die Impfungen jetzt eingesetzt haben. Es ist eine Art Achterbahn der Gefühle zwischen Angst und Hoffnung. Der vorsichtige Optimismus bleibt dominant.
DOMRADIO: Sie werden am 3. Januar 80 Jahre alt. Wie planen Sie denn diesen Geburtstag? Wie schauen Sie auf diesen Tag in der Zeit, in der man eigentlich nur bis zum nächsten Tag gucken kann?
Opaschowski: Ganz einfach, ich lasse meine Familie planen. Aber eins ist klar. Dieser Geburtstag wird ein anderer sein als all die Geburtstage vorweg. Ich habe meine Frau als Schüler in der Jugendherberge kennengelernt. So lange sind wir schon zusammen. Sie wird im nächsten Sommer 80. Und dann feiern wir groß. Und nicht beim Glühwein in der Kälte.
Das Interview führte Michelle Olion.