Die neue Kurienverfassung werde wohl dieses Jahr veröffentlicht, sagte Parolin in einem am Freitagnachmittag ausgestrahlten Interview des französischen TV-Senders KTO. Ein Datum kenne er noch nicht.
Noch ausstehende Reformschritte sind laut Parolin eine Zusammenlegung der Missionskongregation "Propaganda fide" mit dem Päpstlichen Rat zur Neuevangelisierung sowie der Bildungskongregation mit dem Päpstlichen Kulturrat. Die wichtigsten Reformen habe der Papst im Finanzbereich getan, indem er den Wirtschaftsrat, das Wirtschaftssekretariat und das Amt des Generalrevisors geschaffen und deren Kooperation mit der Vermögensverwaltung APSA geregelt habe.
Finanzskandal in der Kirche
Angesprochen auf jüngste Finanzskandale in seinem eigenen Haus, dem Staatssekretariat, wollte Parolin nicht von einer "Krise" sprechen.
"Das ist vielleicht etwas übertrieben", so der Kardinal. Es habe immer wieder, "auch zuletzt, schwierige Phasen gegeben", in denen die Kirche nicht transparent war. Heute, räumte er ein, "akzeptieren Menschen die christliche Botschaft nur von einer Kirche, die transparent und evangeliumsgemäß ist".
Leider gebe es "trübe Punkte" in der Kurie, "aber ebenso den Willen zur Reform", betonte der zweite Mann im Vatikan. Wichtig sei, im Auge zu behalten, was der Papst mit der Reform erreichen wolle. Dieses Ziel sei im Arbeitstitel der neuen Kurienverfassung formuliert, "Praedicate evangelium"; es gehe zu allererst darum, die Frohe Botschaft zu verkünden.
Politik sollte mehr auf Religionen hören
Mit Blick auf das Staat-Kirche-Verhältnis in westlichen Ländern fordert Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin "einen öffentlichen Raum" für religiöse Äußerungen ein. Gläubige Menschen und Religionen könnten "einen beachtlichen Beitrag zur Lösung der großen Probleme dieser Zeit leisten", sagte er in einem am Freitagnachmittag ausgestrahlten Interview des französischen TV-Senders KTO. "Leider ist die Politik in dieser Hinsicht mitunter etwas stimmlos", so der Chefdiplomat des Papstes.
Auf die Frage, ob allgemeine Appelle an menschliche Geschwisterlichkeit ausreichten, entgegnete Parolin, die Kirche könne und wolle keine Detailpolitik machen. "Aber sie weckt und schärft Bewusstsein - was nicht wenig ist", so der zweite Mann des Vatikan. Zudem seien der Heilige Stuhl und damit die katholische Kirche in vielen internationalen und multilateralen Organisationen vertreten. Dort arbeite man sehr wohl mit anderen an konkreten Detailfragen.
In politischen Debatten sollten sich die Kirche wie auch einzelne Katholiken Auseinandersetzungen stellen, "aber nicht bloß um des Konflikts willen - das ist sinnlos", so Parolin. Im Übrigen argumentierten Kirchenvertreter in ethischen und sozialen Fragen keineswegs nur religiös, sondern zumeist mit Vernunftargumenten.
Das 2018 geschlossene Abkommen mit China zur Ernennung von Bischöfen verteidigte Parolin. Allerdings respektiere er andere Auffassungen und Kritik daran. "Es handelt sich um eine extrem komplexe und schwierige Situation", so Parolin. Zudem sei das Abkommen "nur ein kleiner Schritt". Dank "Gottes Gnade und dem Beitrag gutwilliger Menschen" hoffe man aber, dass dieses "Samenkorn" wachse.