Seit Donnerstag setzt der kirchliche Reformdialog "Synodaler Weg" seine Beratungen in Form einer zweitägigen Digitalkonferenz fort. Persönliche Begegnungen wie ursprünglich geplant, sind coronabedingt nicht möglich. 230 Synodale treffen sich rein virtuell in Videokonferenzen.
Kurz vor Beginn mahnte der Bonner Stadtdechant Wolfgang Picken, der selbst Mitglied des Synodalen Weges ist, konsequentes Handeln beim Thema Missbrauch an: "Ausgangspunkt des Synodalen Weges war die Missbrauchsstudie. Ziel des Dialogprozesses ist es, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen und Strukturen in der Kirche aufzubrechen, die Missbrauch an Kindern und Jugendlichen begünstigen", sagte Picken in seiner am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme: "Entsprechend ist es unumgänglich, dass der "Synodale Weg" sich klar vom Missbrauch distanziert."
Zwar sei mit der Erklärung des Präsidiums vom 4. Februar, in der konsequentes Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch und Gewalt in der Kirche gefordert wird, ein erster Schritt getan. Allerdings müsse man durchgängig konsequent sein. Es sei auszuschließen, "dass für den 'Synodalen Weg' Personen leitend im Präsidium und in den Foren tätig werden, denen erhebliche Versäumnisse bei der Aufarbeitung des Missbrauchs und Vertuschung vorgeworfen oder nachgewiesen wird". Das sei man nicht zuletzt den Opfern von Missbrauch schuldig.
Welche Konsequenzen die betreffenden Bischöfe in ihrer jeweiligen Diözese ziehen, dazu könne der "Synodale Weg" eine Meinung haben, entscheiden müssten das aber die Bischöfe selbst, so Picken. "Wer aber Verantwortung für den Synodalen Prozess trägt, muss um der Glaubwürdigkeit dieses Prozesses willen frei von jeder Beteiligung sein. Deshalb habe ich die Erwartung, dass sich der 'Synodale Weg' hier eindeutig positioniert", so der Stadtdechant weiter.
Mehrere Bischöfe haben seit Bekanntwerden der zahlreichen Missbrauchsfälle vor mehr als einem Jahrzehnt Versäumnisse im Umgang mit sexueller Gewalt eingeräumt. Stadtdechant Picken erwähnte in seiner Stellungnahme beispielhaft zwei Bischöfe, die Präsidiumsmitglieder des "Synodalen Wegs" sind und persönliche Fehler im Umgang mit der Aufklärung und Vermeidung von sexueller Gewalt zugegeben haben.
Picken spielte damit unter anderem auf den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck an. Er ist Vorsitzender des Synodalforums "Macht und Partizipation" und Präsidiumsmitglied des "Synodalen Wegs". Bischof Overbeck hatte eingeräumt, einem gravierenden Missbrauchsfall nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt und den Einsatz eines mehrfach strafrechtlich verurteilen Missbrauchstäters in seiner Diözese nicht verhindert zu haben.
Auch mit Blick auf Bischof Franz-Josef Bode ergeben sich Fragen. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Mitglied des Synodalpräsidiums. Bischof Bode hatte bereits Ende 2018 im Fall eines Priesters Fehler eingeräumt, der jahrzehntelang Kinder sexuell missbraucht haben soll. 1995 hatte er ihn aufgrund damals noch nicht beweisbarer Gerüchte in den Ruhestand versetzt. Trotz anderslautender Auflagen war er dennoch aber weiter in der Jugendarbeit tätig. Bode hatte jüngst zudem angekündigt, dass auch seine Amtszeit Teil der Aufarbeitung im Bistum Osnabrück sein werde.
Der "Synodale Weg" und die Partizipation
Ähnlich wie zuvor der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, sieht auch Stadtdechant Picken Verfahrensfehler beim "Synodalen Weg". So gebe es ein erhebliches Defizit an Demokratie und Partizipation: "Sowohl in der Synodalversammlung als auch in den Foren der Synode besitzen absurderweise alle, die nicht der Deutschen Bischofskonferenz oder dem ZdK angehören, kein passives Wahlrecht. Das heißt, mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Synode sind von Leitungsaufgaben ausgeschlossen und in ihren Beteiligungsrechten beschnitten." Damit sorgten ZdK und Bischofskonferenz dafür, dass man in wichtigen Beratungs- und Entscheidungsprozessen des Präsidiums unter sich bleibe.
Mehr Diskussionen im "Synodalen Weg" gefordert
Problematisch bewertet Bonns Stadtdechant auch die Ausgewogenheit des Dialogs im "Synodalen Weg". "Ich kann verstehen, dass vielen der Reformstau Druck macht. Aber wir kommen nach meinem Eindruck verfrüht zu richtungsweisenden Ergebnissen und Voten. Kontroverse theologische Fragen werden übergangen und Voten, die im Widerspruch zur geltenden Lehrmeinung stehen, werden mir angesichts ihrer Bedeutung zu schwach begründet auf den Weg gebracht", sagte Picken.
Hier werde erkennbar, dass die Foren nicht ausgewogen genug besetzt seien. "Auch wenn wir denken, es sei zu den meisten Themen schon alles gesagt: Es geht im "Synodalen Weg" am Ende nicht ohne theologische Grundsatzdebatten. Man kann Grundfragen der Dogmatik wie zum Offenbarungs- und Kirchenverständnis nicht in wenigen Minuten diskutieren und zu Resultaten führen", so Picken.
Papst und Weltkirche am "Synodalen Weg" beteiligen
Auch betonte Stadtdechant Picken, es sei dringend geboten, frühzeitig den Dialog mit der Weltkirche und dem Papst zu suchen, wenn Reforminteressen nur auf dieser Ebene weiterentwickelt und verändert werden können. "Was helfen uns am Ende detaillierte Ideen aus Deutschland, wenn sie weltkirchlich auf Ablehnung stoßen", so der Geistliche. Auch würden frühzeitige Gespräche dieser Art ermöglichen, dass man Verantwortungsträger in der Weltkirche in Reformprozesse mitnimmt und Offenheit erzeugt.
Der "Synodale Weg" der katholischen Kirche in Deutschland tagt am Donnerstag und Freitag in einer Digitalkonferenz. Mit dem Reformdialog wollen die deutschen Bischöfe und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nach dem Missbrauchsskandal Vertrauen zurückgewinnen und innerkirchliche Debatten voranbringen. Dabei geht es um Themen wie Macht, Sexualmoral, Lebensform der Priester und die Rolle von Frauen in der Kirche. Die Initiative wurde 2019 beschlossen; das Ende ist, auch wegen Corona, offen.
Stadtdechant Wolfgang Picken gehört zu den Delegierten des Reformdialoges. Hier geht es zum Statement in voller Länge.