KNA: Haben Sie mit der Berufung ins Domkapitel gerechnet?
Propst Georg Bergner (Schweriner Propst): Ich würde lügen, wenn ich das als Überraschung sehen würde. Es ist in den Statuten vorgesehen, dass es nichtresidierende Domkapitulare aus den Regionen des Erzbistums geben soll. Da meine Vorgänger als Pröpste von Schwerin auch ins Domkapitel berufen wurden, konnte ich ebenfalls damit rechnen.
KNA: Wird es eine offizielle Amtseinführung geben, oder ist sie wegen Corona erstmal aufgeschoben?
Bergner: Sie ist für den 25. Juni vorgesehen, dem Gedenktag der Lübecker Märtyrer. Wenn die Corona-Regeln es zulassen, soll es im Hamburger Mariendom stattfinden.
KNA: Inwiefern wollen Sie im Domkapitel die Stimme der Mecklenburger sein?
Bergner: Es ist wichtig für die Region, das merke ich aus den Reaktionen, dass Mecklenburg sozusagen wieder eine eigene Stimme und einen eigenen Sitz auch in diesem Gremium hat. Was sich daraus ergibt, hängt von den Beratungsthemen ab. Es ist wichtig, die Perspektive der Gemeinden, aber auch der Caritas, die hier sehr stark ist, und auch der Schulen und anderen Bildungseinrichtungen einzubringen in die Entscheidungen.
KNA: Wie ist die Situation in den katholischen Gemeinden von Mecklenburg?
Bergner: Unsere größte Herausforderung heißt Fläche. Die Gemeinden sind von der Katholikenzahl her nicht so stark, aber über das weite Land verteilt. Durch den Prozess der Pastoralen Räume, durch die sehr große Pfarreien entstehen, ist es eine ganz zentrale Herausforderung zu fragen, wie Seelsorge hier auch künftig möglich ist.
KNA: Sie stammen aus Hannover, sind in Norderstedt bei Hamburg aufgewachsen. Erst 2018 sind Sie Pfarrer der Schweriner Propsteikirche Sankt Anna und zugleich Dekan für die Region Mecklenburg geworden. Haben Sie Mentalitätsunterschiede zwischen den Katholiken in West und Ost wahrgenommen?
Bergner: Die Mentalitätsunterschiede kenne ich schon aus früheren Funktionen. Als Jugendpfarrer war ich sehr häufig in Mecklenburg, sodass ich viele Gemeinden kenne und auch viele bekannte Gesichter hier wiedergetroffen habe. Die Situation ist im Land unterschiedlich.
In Schwerin ist das frühere katholische Milieu fast nicht mehr vorhanden, weil es sehr viel Zuzug gegeben hat. Aber auf dem Land kann man das durchaus noch wahrnehmen.
Was ich merke, ist zum einen großes Wohlwollen, eine große Treue gegenüber den Kirchen und den eigenen Gemeinden. Viele haben die Kirche als einen wichtigen Lebensraum erfahren, in dem sie weitgehend ihre Jugend verbracht haben. Ein gewisser Regionalstolz spielt auch eine Rolle. Was mir sehr gut gefällt, ist eine gewisse Gelassenheit gegenüber allen Entwicklungen, so dass man sagt, wir sind schon mit Vielem fertig geworden, auch mit den nächsten Herausforderungen werden wir noch gut fertig werden.
KNA: Wie macht sich das bistumsintern bemerkbar? Mecklenburg ist die einzige Region im Erzbistum Hamburg, die in einem der neuen Bundesländer liegt.
Bergner: Die alten Grabenkämpfe sind vorbei. Das gilt sowohl für die hier tätigen Seelsorgerinnen und Seelsorger als auch in Teilen für die Gemeinden. Die heftigen Auseinandersetzungen aus den Anfängen des Erzbistums - als Mecklenburg so etwas war wie ein eigenes Bistum oder zumindest so organisiert war und eine starke Eigenständigkeit hatte - das hat sich ein bisschen gelegt. Der Regionalstolz ist weiterhin da und auch immer die Sorge, ob man die Katholiken in Mecklenburg genug im Blick hat. Aber insgesamt gibt es mittlerweile ein viel größeres Verständnis für die Zusammenarbeit im neuen Erzbistum.
KNA: Sie sind jetzt seit knapp drei Jahren in Mecklenburg. Wie gut sind Sie aufgenommen worden?
Bergner: Sowohl von den Gemeinden vor Ort wie auch von der Stadt Schwerin fühle ich mich sehr gut aufgenommen und angenommen. Schwerin ist eine sehr, sehr schöne und lebenswerte Stadt, nicht nur wegen des hohen Freizeitwertes, auch wegen des Kulturangebots. Es ist eine sehr familiäre Atmosphäre, man lernt sehr schnell Leute in der Stadt kennen, und das macht das Arbeiten und das Leben auch sehr angenehm.
KNA: Der mecklenburgische Landesteil gehört zum Erzbistum Hamburg, der vorpommersche zum Erzbistum Berlin. Bei den evangelischen Christen gehört hingegen das gesamte Bundesland zur Nordkirche. Haben Sie dadurch Schwierigkeiten, ihre Interessen gegenüber der Landesregierung zu vertreten?
Bergner: Das ist nicht ganz so einfach. Wir haben als Vertretung zur Landespolitik ein Katholisches Büro, das für Mecklenburg und für Vorpommern zuständig ist. Da müssen wir die politischen Fragen immer mit beiden Erzbistümern abstimmen. Mein Partner dabei ist der Propst von Greifswald, der die gleiche Funktion für den vorpommerschen Teil wahrnimmt. Das macht es an einigen Stellen komplizierter, an anderen Stellen ist das aber ganz gut, weil wir als Katholiken immer auch mit einer Stimme mehr vertreten sind.
KNA: Als Dekan für die Region Mecklenburg sind Sie auch der Ansprechpartner für die evangelische Kirche. Wie intensiv sind die ökumenischen Beziehungen?
Bergner: Insgesamt würde ich sagen, dass sie traditionell sehr gut ausgeprägt sind. Das hat auch damit zu tun, dass die evangelische Kirche hier seit der Nachkriegszeit ebenfalls immer in einer Minderheitenposition war. Auch die prägende DDR-Zeit hat die Konfessionen sehr eng zusammengebracht. Wir haben gut funktionierende Austauschkanäle und Gesprächsrunden sowohl auf Landesebene als auch auf regionaler Ebene. Auch von anderen Pfarrern erfahre ich, dass der Kontakt zu den evangelischen Nachbargemeinden immer positiv bewertet wird.
KNA: Aktuell schränkt Corona das Leben in den Gemeinden stark ein. Erwarten Sie in Mecklenburg einen langfristigen Schaden für die Kirchengemeinden durch den Lockdown?
Bergner: Da gilt für Mecklenburg nichts anderes als für die anderen Teile des Erzbistums und des Landes. Auch wir beobachten einen Rückgang bei den Gottesdienstbesuchern. Alle kämpfen mit den gleichen Schwierigkeiten - zum Beispiel die Jugend- und Ministrantengruppen, die sich zurzeit nicht treffen können. Ob sie wieder aufleben, ist noch nicht ganz klar.
Sorgen machen mir auch die Kirchenchöre, die häufig ohnehin schon etwas wacklig aufgestellt waren. Es ist zu befürchten, dass das eine oder andere nach der Corona-Zeit nicht mehr so fortgeführt wird wie bisher. Auf der anderen Seite machen wir in Schwerin auch sehr positive Erfahrungen. Wir probieren neue Dinge aus und werden sicherlich das eine oder andere für die Zukunft übernehmen können.
Das Interview führte Oliver Gierens.