Wenn heute ein deutscher Bischof in den Vatikan muss, setzt er sich in den Flieger und steht kurz darauf beim Papst auf der Matte. Im Nachkriegswinter 1945/46 war die Lage sehr anders.
Pius XII. (1939-1958), der Papst des Zweiten Weltkriegs und vormalige Nuntius in München, hatte der Kirche des besiegten Deutschland eine hohe Ehre erwiesen: In der Zeit höchster Not verlieh er vor 75 Jahren, am 16. Februar 1946, den Bischöfen von Köln, Münster und Berlin, Josef Frings, Clemens August Graf von Galen und Konrad Graf von Preysing, die Kardinalswürde.
Der Flieger: zu klein
Wie abenteuerlich und beschwerlich die Rom-Reise im deutschen Hungerwinter war, hat der Kölner Erzbischof Frings in seinen Memoiren so eindrücklich wie humorvoll beschrieben. Er war nach Münster gefahren, wo die britischen Besatzer eine Armeemaschine für ihn und Galen bereitstellen wollten.
Doch die war so klein, dass der 2,04 Meter große "Löwe von Münster" ausrief: "Die ist gerade groß genug für einen Sarg für mich." Bei Galen, der zudem in doppelter Montur und schwerem Mantel antrat, und dem ebenfalls gewichtigen Kölner Generalvikar Emmerich David streikte die Waage. Als dann noch Schlechtwetternachrichten kamen, war der Traum vom Fliegen gestorben.
Das Wetter: schlecht
Einem englischen Heereskaplan gelang es, zwei Autos zu requirieren, und ein Brigadegeneral namens Sedgwick wurde zum Transport der Kardinäle in spe Richtung Süden abgestellt. Doch die Fahrt geriet zur Odyssee. Im Dauerregen wurden die Zündkerzen eines der Wagen nass ("Ich glaube, es war sogar ein Rolls Royce"). Nach einer schlafarmen Regennacht im Auto ging es weiter, um in Karlsruhe noch einen Zug nach Kärnten zu erreichen. Doch auch der blieb wegen widrigen Wetters aus.
"Ohne einen Pfennig Geld in der Tasche" platzte Frings nun der Kragen, und er sagte zu Sedgwick: "Herr General, bitte kehren Sie um - ich kann auch leben, ohne Kardinal zu sein." Doch entgegen der Order seiner Fahrgäste und die seiner Einheit lotete Sedgwick einen ganz neuen Weg aus - über Paris.
"Wir sind Brüder"
Spät abends eingetroffen, erreichte die erschöpften Irrfahrer dort eine Einladung des dortigen Nuntius, eines gewissen Angelo Giuseppe Roncalli. Der nachmalige Papst Johannes XXIII., der Frings beim Konzil später sehr schätzen lernen sollte, empfing die beiden künftigen deutschen Kardinäle herzlich, und der Pariser Kardinal Emmanuel Suhard sagte die 1946 noch nicht selbstverständlichen Worte: "Nous sommes freres!" (Wir sind Brüder).
Am nächsten Tag traten Galen, Frings und ihre Begleiter die Zugreise nach Mailand an. Der hungrige Kölner Erzbischof, der später die deutschen Hilfswerke Misereor und Adveniat auf das Gleis setzte, wurde auf der Fahrt von Mitreisenden mit Tee und Keksen durchgefüttert. Eigentlich sollte man in Mailand einen Anschlusszug nach Rom erreichen - doch der war völlig überfüllt. Die Gruppe wurde vom Mailänder Kardinal Alfredo Schuster beherbergt.
Endlich in Rom angekommen
Auf letzten Umwegen traf man am Abend des neunten Reisetags in Rom ein: "Ein Bild der Armut", so Frings. "Ich kam mit einem Koffer an, der von einer Schnur umschlungen war, Galen mit einer großen Hutschachtel, in der der rote Samthut war." Preysing war rechtzeitig in Rom eingetroffen; auch er hatte sich anderweitig von Berlin über Paris durchgeschlagen.
Die Feiern zum Konsistorium, damals eine rund 14-tägige Abfolge von Zeremonien, standen unmittelbar vor der Eröffnung. Die Ernennungen Pius' XII. von 1946 brachen erstmals die seit Jahrhunderten unbestrittene Mehrheit der Italiener in der Kirchenhierarchie. Am 18. Februar zogen die 32 Neuernannten der Reihe nach im Petersdom ein.
Der Heimweg ging dann schneller
Den größten Beifall für die Deutschen erlebte Galen, der als "Löwe von Münster" gegen die Nazis internationalen Ruhm erlangt hatte. Bei Frings gab es nur wenig Applaus. "Mich kannte kein Mensch - und Kölner waren wohl kaum zugegen", meinte er später lakonisch.
Die Erhebung dreier Deutscher ins Kardinalskollegium war - zumindest für die Katholiken - ein früher Akt der Rehabilitation in der Völkergemeinschaft; ein erster Kick noch vor dem "Wunder von Bern" 1954. Die Rückreise aus Rom besorgte übrigens der große Bruder aus Amerika. Der New Yorker Kardinal Francis Spellman bezahlte den Deutschen ein reguläres Flugticket in die Heimat - der Weg zu einem triumphalen Empfang.