Kardinal Camillo Ruini, früherer Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, hat sich an seinem 90. Geburtstag zu aktuellen politischen Fragen geäußert. Im Interview der Zeitung "Corriere della Sera" (Freitag) begrüßte er die Ernennung Mario Draghis zum neuen Ministerpräsidenten. Er habe "großen Respekt" vor dem ehemaligen Chef der Europäischen Zentralbank, so der Kardinal. Draghis Regierung werde sich "sehr positiv" auf Italiens Zukunft auswirken.
Ruini galt mit seinem politischen Geschick und seiner Vernetzung lange als einflussreichster Kirchenmann in Italien. In seiner Amtszeit an der Spitze der Bischofskonferenz (1991-2007) prägte die katholische Kirche die Meinungsbildung unter wechselnden Regierungen entscheidend mit.
Ruini verteidigt Nähe zu Berlusconi und Salvini
Mit Blick auf seine Nähe zum konservativen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi verteidigte der Kardinal seine Haltung. Zwar habe er weder Berlusconi noch irgendeinen anderen Politiker direkt unterstützt. Doch sein Ziel sei gewesen, "bestimmte Dinge" zu erreichen. "Und dabei war ich oft einer Meinung mit Berlusconi", so Ruini.
Ähnliches gelte für den rechtsgerichteten Ex-Innenminister Matteo Salvini. Dieser habe "unter den gegebenen Umständen mit Weisheit und Entschlossenheit gehandelt". Inzwischen sei der Lega-Chef eine wichtige politische Größe, "nicht nur für seine Partei".
Ruini äußerte sich auch zu kirchenpolitischen Fragen. Eine Aufhebung des Pflichtzölibats oder eine Öffnung des Priesteramts für Frauen lehnt er entschieden ab: "In den protestantischen Kirchen wird das schon lange praktiziert, und die Lage ist schlimmer als bei uns." Auf diese Weise werde es nicht gelingen, dem Priestermangel wirksam entgegenzutreten.