Es sind zwei Bilder aus der realen Welt, die von der ersten virtuellen Vollversammlung der katholischen Bischöfe in Deutschland im Gedächtnis bleiben. Bei der Pressekonferenz zum Auftakt nahm am Dienstag eine Frau Platz auf dem Podium: Zuvor hatten die Bischöfe die Theologin Beate Gilles an die Spitze des in Bonn ansässigen Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz gewählt. Alle ihre Vorgänger waren Männer und Geistliche. Mit Gilles, seit 2010 Dezernentin für Kinder, Jugend und Familie im Bistum Limburg, bekleidet erstmals eine Frau und Laientheologin den wichtigen Posten.
Anstelle eines "Sekretärs" wird ab 1. Juli eine "Generalsekretärin" über die Zukunft der Kirche und deren Engagement in der Gesellschaft mitentscheiden. Dazu gehört auch die Geschäftsführung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) mit einem Jahresetat von rund 120 Millionen Euro.
Neue Baustellen in der Missbrauchsaufarbeitung
Das zweite Bild: ein Karnevalswagen aus Düsseldorf vor dem Kölner Dom. Darauf zu sehen: ein Bischof, dessen Mitra einer Penisspitze nachempfunden ist; auf dem Bischofsgewand die Aufschrift "Das Kernproblem der katholischen Kirche". Mit dem Wagen protestierte die kirchenkritische Giordano-Bruno-Stiftung bis zum Schluss der Vollversammlung am Donnerstag gegen die aus ihrer Sicht schleppende Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche.
Das Thema beherrscht vor allem wegen der Debatten um das Vorgehen von Kardinal Rainer Maria Woelki im Erzbistum Köln seit Wochen die Schlagzeilen. Er wird kritisiert, weil er ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen wegen "methodischer Mängel" nicht wie zunächst vorgesehen veröffentlichen ließ. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, betonte, mehrfach bei Woelki für eine Veröffentlichung dieses Gutachtens geworben zu haben. Aber der Kardinal sei bei seiner Entscheidung geblieben. Nun stehe die Publikation des zweiten, von Woelki in Aussicht gestellten Gutachtens aus. "Wir werden jetzt warten müssen bis zum 18. März und möglichst keine Vorverurteilungen treffen."
Unterdessen tun sich neue Baustellen auf. So berichtete der Deutschlandfunk über eine Betroffene von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch durch einen Priester, die Kardinal Reinhard Marx und Bischof Stephan Ackermann unzureichende Aufarbeitung und Täterschutz vorwirft. Beide seien als Bischöfe von Trier den Vorwürfen nur zögerlich und zu spät nachgegangen.
"Geistlicher Missbrauch" auf der Tagesordnung
Bei der Versammlung selbst berichtete der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers zusammen mit Münsters Bischof Felix Genn über das Leiden von Menschen, die von Seelsorgern etwa bei der Beichte oder im Rahmen religiöser Lebensbegleitung manipuliert oder unter Druck gesetzt wurden. So nachdrücklich dieses Problem des "Geistlichen Missbrauchs" angegangen wird, bleibt doch ein Nachgeschmack. In einem Interview mit katholisch.de räumte Timmerevers Fehler bei der Aufarbeitung von Missbrauch in seinem eigenen Bistum ein.
Es liegt auf der Hand, dass Kirche unter solchen Bedingungen immer größere Schwierigkeiten hat, mit anderen Themen Gehör zu finden. Die Zukunft des Christentums in Deutschland war Thema des Studientags am Mittwoch. Neben den je eigenen Herausforderungen erleben die katholische wie die evangelische Kirche seit Jahren einen Schwund an Mitgliedern. Bei politischen Debatten wie der Sterbehilfe verlieren beide an Schlagkraft, weil der ökumenische Konsens bröckelt.
Nuntius mahnt zu Einheit
Aber auch innerkirchlich sind Fliehkräfte zu spüren. Die Bischöfe tun sich schwer mit einem gemeinsamen Kurs bei dem von ihnen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken ins Leben gerufenen Synodalen Weg. Die Initiative soll Spielräume für Veränderungen ausloten. Im Vatikan bleibt die Sorge vor einem deutschen Sonderweg groß.
Papstbotschafter Nikola Eterovic rief in seinem Grußwort zur Vollversammlung die Bischöfe zu Geschlossenheit auf. Konflikte drohten, den Sinn für die Einheit der Kirche zu zerstören. Von einer "Ermahnung und Ermutigung" sprach Bätzing. Unter reformorientierten Kräften wie Maria 2.0 wächst unterdessen die Ungeduld. Zwei Bilder von Kirche stehen einander gegenüber. Und es wird immer schwieriger, sie in Einklang zu bringen.