Religionsfreiheits-Beauftragter sieht Sonntagsschutz in Gefahr

"Ich kämpfe dafür"

Der Sonntag ist für die Christen der Tag des Herrn. In Deutschland ist der Sonntagsschutz sogar im Grundgesetz verankert. Jede Religion sollte ihren Ruhetag begehen können, findet Religionsfreiheits-Beauftragter Grübel. Auch Minderheiten.

Symbolbild Sonntagsruhe / © Harald Oppitz (KNA)
Symbolbild Sonntagsruhe / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Erst mal auf den Punkt gebracht: Warum ist der Schutz des Sonntags so wichtig?

Markus Grübel (Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit): Der Sonntag hat eigentlich zwei Vorgänger. Der jüdische Schabbat, der Tag der Arbeitsruhe,- und den römischen "dies solis", den Sonntag, aus dem wir den christlichen Tag des Herrn gemacht haben. Zur Feier der Auferstehung, die Erinnerung an Ostern.

Es ist aber auch eine Arbeitsschutzvorschrift, die der römische Kaiser Konstantin vor 1700 Jahren erlassen hat, die im Deutschen Reich zum Beispiel Kaiser Wilhelm II. 1891 in ein Gesetz geschrieben hat und die mittlerweile Verfassungsschutz hat. Auch die Weimarer Reichsverfassung hat das 1919 geregelt und unser Grundgesetz hat es in den Artikel 140 aufgenommen, den Sonntag als Tag der Arbeittsruhe und der seelischen Erhebung. Es sind also zwei wichtige Gründe, warum es ihn gibt: einmal der Tag der Erbauung und der Tag der Erholung.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich ist es heute so, dass dieser freie Sonntag für die meisten nicht mehr viel mit Kirche zu tun hat. Welche Rolle spielt in den westlichen Ländern überhaupt noch die Religion? Droht die absolut in Vergessenheit zu geraten?

Grübel: Ich sage: Religion hat Bedeutung. Ich gucke da in die Welt. Es gibt zum Beispiel 2,4 Milliarden Christen und für viele ist die Feier des wöchentlichen Gottesdienstes am Sonntag Teil ihrer Identität und ist ihnen wichtig.

Es haben sich aber auch Traditionen herausgebildet, wie zum Beispiel das gemeinsame Mittagessen am Sonntag mit der Familie und mit Freunden, der Sonntags-Kaffee oder der Sonntags-Spaziergang. Und das ist auch für Menschen, denen die Religion nicht so bedeutend ist, ein wichtiges Ereignis.

DOMRADIO.DE: Sie haben die Christen weltweit angesprochen. Wie sieht es denn da aus? Haben die überall auf der Welt am Sonntag die Möglichkeit, diesen Tag für Gottesdienste zu nutzen? Oder ist da noch Luft nach oben?

Grübel: Nein, leider nicht. Es gibt eigentlich nur wenige Länder in der Welt, die so einen harten Sontagsschutz haben. In muslimischen Ländern ist es oft der Freitag, der als gemeinsamer freier Tag begangen wird. Wobei im muslimischen Glauben der Freitag eine andere Bedeutung hat. Es ist der Tag, an dem man in die Moschee geht, der Tag, an dem der Imam predigt.

Aber er hat nicht diese Arbeitsruhe vorgesehen, wie wir es im christlichen Sonntag haben. Es ist keine Arbeitsschutzbestimmung, sondern eine rein religiöse Bestimmung. Darum sind in muslimischen Ländern oft auch freitags die Läden offen. Aber es gibt außerhalb von Europa wenige Länder, die so einen harten Sonntagsschutz haben, wie wir.

DOMRADIO.DE: Sie haben vor kurzem gefordert, dass auch religiöse Minderheiten bei uns ihre je eigenen Ruhetage begehen sollen können. Also zum Beispiel: keine Klausuren für jüdische Studierende am Schabbat. Ist das überhaupt umsetzbar, wenn man auf so viele unterschiedliche Gruppen Rücksicht nehmen sollte?

Grübel: Zunächst einmal sage ich: Es braucht einen kollektiven freien Tag. Die gemeinsame Ruhe. Es hilft ja nichts, wenn die Christen am Sonntag, die Muslime am Freitag und die Juden am Samstag einen freien Tag haben. Dann werden praktisch irgendwann mal alle Tage Werktage.

Darum müssen wir uns auf einen kollektiven freien Tag einigen. Aber jede Religion soll die Möglichkeit haben, ihre religiösen Feiern oder ihre religiösen Bräuche zu leben. Zum Beispiel, dass jüdische Studierende am Schabbat keine Prüfungen schreiben müssen. Dass keine Aufnahmeprüfungen oder wichtige Ereignisse für die Juden auf dem Samstag liegen.

Oder, dass Muslime die Chance haben, am Freitag in die Moschee zum Gebet zu gehen. Zum Beispiel, indem Schichten entsprechend gelegt werden oder die Mittagspause verlängert wird oder ähnliches. Dass man das einfach praktisch möglich macht und umsetzt.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass der freie Sonntag auch in Zukunft frei bleiben wird oder könnte da eine andere Regelungen auf uns zukommen?

Grübel: Ich hoffe, dass der Sonntag arbeitsfrei bleibt und ich kämpfe auch dafür. Aber es lauern Gefahren. Zum Beispiel sind die verkaufsoffenen Sonntage ja sehr beliebt und nehmen zu in den letzten Jahren. Ich betrachte das eigentlich mit Sorge, dass, gerade in der Adventszeit, die eigentlich eine Zeit der Besinnung ist, in manchen Städten an allen Adventssonntag die Läden offen sind.

Und auch in der Produktion wird immer wieder gefordert, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist, wenn die Maschinen nicht stillstehen. Aber trotzdem. Ich kämpfe für den arbeitsfreien Sonntag, weil er den Menschen guttut und auch Teil der religiösen Identität der Christen ist und darum erhalten bleiben soll. 

Das Interview führte Hilde Regeniter


Markus Grübel ist Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit / © Harald Oppitz (KNA)
Markus Grübel ist Beauftragter der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR