Was sind die Ursachen für den Krieg in Syrien?
Im Arabischen Frühling wurden auch in Syrien die Rufe nach Demokratie und Reformen immer lauter. Im März 2011 kam es in mehreren Orten zu Aufständen gegen das Regime von Diktator Baschar al-Assad, die sein Militär brutal unterdrückte. Die Regimegegner gründeten daraufhin die "Freie Syrische Armee"; daneben entstanden islamistische Milizen.
Im Syrien-Krieg eskalierten über Jahrzehnte aufgestaute Konflikte.
Die sunnitische Mehrheit kämpft gegen die Dominanz der alawitisch-schiitischen Minderheit, der Assad und die Führung der Baath-Partei angehören. Gegensätze gab es auch zwischen der städtischen Mittelschicht und der verarmten Landbevölkerung. Durch hohe Geburtenraten, Dürren und eine Wirtschaftskrise mit massiver Arbeitslosigkeit glich die sozioökonomische Lage 2011 einem Pulverfass.
Wie verlief der Krieg und wer sind die Akteure?
Die Forderung nach Demokratisierung trat bald hinter religiös und ethnisch begründeten Zielen zurück. Aufseiten der Opposition übernahmen islamistische Milizen den Kampf gegen die Assad-Armee.
Syrien wurde zum Magneten für Dschihadisten aus aller Welt. 2015 kontrollierte die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) die Hälfte des Staatsgebiets. Als weitere Kriegspartei traten die nach Autonomie strebenden Kurden im Nordosten Syriens auf den Plan.
Entscheidend wurde die Ausweitung zum internationalen Stellvertreterkrieg um den Einfluss in der Region. Russland und der Iran griffen mit eigenen Streitkräften bzw. der libanesischen Hisbollah zugunsten Assads ein. Saudi-Arabien, Katar und die Emirate finanzierten die Islamisten. Die USA flogen Luftangriffe gegen den IS, gingen aber auch gegen Assad vor und forderten seinen Rücktritt.
Obendrein engagiert sich die Türkei seit 2015 militärisch gegen die Kurden.
Der Krieg kostete bislang 600.000 Menschenleben. Alle Seiten haben Kriegsverbrechen begangen. Zerstörungen wie in Aleppo, Homs und Hama, Massaker und Massenvertreibungen führten zur Flucht von 13 Millionen Menschen. Assad wurde der Einsatz von Giftgas vorgeworfen. Der IS errichtete in seinen Gebieten ein Schreckensregiment im Namen der Scharia, das besonders Christen und Jesiden verfolgte.
Was ist das bisherige Ergebnis des Krieges?
Assad hat dank der Hilfe Russlands und des Iran die Oberhand behalten und kontrolliert heute wieder zwei Drittel des Landes, darunter die wichtigsten Städte. Der IS gilt seit 2017 weitgehend als besiegt. Das übrige Drittel besteht aus dem Kurdengebiet, türkisch besetzten Abschnitten an der Nordgrenze und der Widerstandshochburg Idlib im Nordwesten. Dort setzen die islamistische HTS-Miliz sowie von Ankara unterstützte Rebellen den Kampf fort.
Derzeit herrscht ein Patt. Die Truppen des Regimes sind personell zu schwach, um Idlib einzunehmen, und Russland und der Iran wollen keinen direkten Zusammenstoß mit der Türkei riskieren. Die demokratischen Kräfte gegen Assad spielen fast keine Rolle mehr.
Gibt es Aussichten auf Frieden?
Unter UN-Vermittlung gab es in Genf mehrfach Ansätze für Friedensverhandlungen, die alle scheiterten. Ein Hindernis sind die Forderungen Assads, der sich als Sieger fühlen kann und auf der Kontrolle ganz Syriens besteht. Dem steht der Widerstandswille der Rebellen und das Autonomiestreben der Kurden entgegen. Parallel zu den Gesprächen in Genf verhandeln Russland, der Iran und die Türkei im sogenannten Astana-Format über eine Lösung des Konflikts. Eine echte Friedensperspektive fehlt weiterhin.
Beobachter sprechen von einem Versagen der Weltgemeinschaft wie der EU als Friedensvermittler. Maßnahmen gegen Assad im Weltsicherheitsrat scheiterten am Veto Russlands und Chinas.
Umgekehrt weigert sich der Westen, das mörderische Regime anzuerkennen und dessen Führung in direkten Gesprächen zu einer Friedenslösung zu bewegen.
Wie sieht die humanitäre Lage im Land aus?
Katastrophal. Nach Angaben des Hilfswerks Misereor sind zwölf Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen; das sind 60 Prozent aller im Land verbliebenen Syrer, darunter fast sechs Millionen Kinder. Sie leiden unter Hunger, Krankheiten und zerstörter Infrastruktur wie Krankenhäusern und Schulen. Ein Viertel der Bevölkerung hat laut Helfern kriegsbedingte Behinderungen. Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaftskrise noch verschärft; die Lebensmittelpreise sind auf einem Höchststand, das syrische Pfund hat enorm verloren.
Westliche Wirtschaftssanktionen erlauben zwar humanitäre Hilfslieferungen. Diese sichern aber nur das Nötigste zum Überleben.
Helfer fordern daher, dem Regime wieder Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und damit Investitionen in den Wiederaufbau zu ermöglichen.