DOMRADIO.DE: Neben politischer und historischer Bildung soll es ja auch einen Ethikunterricht geben, der von den Offizieren als Vorgesetzten erteilt wird. Das klingt ja erst einmal gar nicht so schlecht. Warum sehen die Kirchen das kritisch?
Norbert Stäblein (Pressesprecher des Katholischen Militärbischofsamts): Wir sehen das gar nicht so kritisch, sondern wir sehen das im Zusammenhang damit, dass der Lebensalltag der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ständig von Entscheidungen geprägt ist. Ethische Bildung ist ein Programm, das tagtäglich und immer wieder im Dienst vorkommt. Was wir beobachten, ist, dass der Lebenskundliche Unterricht und die ethische Bildung möglicherweise nicht deckungsgleich sind. Darüber wollen wir mit den Kolleginnen und Kollegen im Bundesministerium der Verteidigung im Gespräch bleiben.
DOMRADIO.DE: Sie bemängeln, dass Offiziere, also Dienstvorgesetzte, diesen Unterricht erteilen?
Stäblein: Es könnte sein, und darüber sollten wir uns unterhalten, dass die Vorgesetzten, die sowieso schon sehr viel politische Bildung, historische Bildung, interkulturelle Bildung und Ausbildungsbetrieb machen, möglicherweise mit der ethischen Bildung eine Aufgabe bekommen, die sie zusätzlich belasten könnte.
DOMRADIO.DE: Was wäre denn eine Alternative? Wer könnte diesen Unterricht dann erteilen?
Stäblein: Wir haben das bisher bewährte Programm, dass es den Lebenskundlichen Unterricht gibt, in dem spezielle reale Fragen der Soldatinnen und Soldaten durch berufsethisch qualifiziertes Personal gegeben wird. Das sind zum Beispiel die Militärseelsorgerinnen und Seelsorger der Bundeswehr. Darunter würden dann auch alle Vorgesetzten fallen. Denn dieser Lebenskundliche Unterricht ist verpflichtend für alle Soldatinnen und Soldaten, unabhängig von Dienstgrad, von Einheit, von Glaube oder Nichtglaube.
DOMRADIO.DE: Die Bundeswehr wird ja immer diverser, was die Religionszugehörigkeit angeht. Neben evangelischen und katholischen Christen und Christinnen gibt es da immer mehr jüdische und muslimische oder auch atheistische Soldatinnen und Soldaten. Ist es da nicht vielleicht tatsächlich leichter, sie alle mit einem konfessionell unabhängigen Angebot zu erreichen und ethisch zu bilden? Also so ähnlich wie in Ethik-Unterrichtsstunden in Schulen?
Stäblein: Ich glaube, dass die Soldatinnen und Soldaten erwachsen genug sind, um das selbst zu entscheiden. Wir als katholische Militärseelsorge sind ja eingebunden als berufsethisch qualifiziertes Personal mit unseren Seelsorgerinnen und Seelsorgern. Wir bieten das unabhängig von Konfession an und das wird auch, seitdem es die Militärseelsorge gibt, genutzt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie ein bisschen die Sorge, dass die Kirchen ihren Einfluss auf die Gewissensbildung der Soldatinnen und Soldaten ein Stück weit verlieren können, wenn die Vorgesetzten in Zukunft Ethik unterrichten?
Stäblein: Das ist schwer zu beurteilen, ob wir den Einfluss verlieren. Wenn wir eine strikte Trennung zwischen Religion und Ethik machen, dann könnte das passieren. Da das Ganze aber zusammenhängt, da wir immer in der ethischen Gewissensbildung den Soldatinnen und Soldaten beiseite stehen, glaube ich, sind wir weiterhin die Ansprechpartner, die die Soldaten suchen und die sie ganz besonders auch im Einsatz suchen.
DOMRADIO.DE: Sie sagen ja auch: Die Entscheidung ist noch nicht endgültig getroffen. Sie wollen weiter im Gespräch bleiben. Aber - wie kann die Militärseelsorge trotzdem auch weiter zu Gewissensbildung beitragen?
Stäblein: Wir bleiben weiter im Lebenskundlichen Unterricht mit den Soldatinnen und Soldaten verbunden. Wir begleiten sie an allen Orten, wo Soldatinnen und Soldaten sind und bieten immer wieder die offenen Türen an. Wir bieten an: Kommen Sie herein, reden Sie mit uns in allen Lebenslagen, nicht nur zu dienstlichen, sondern auch zu familiären Dingen. Denn die Militärseelsorger begleiten die Soldatinnen und Soldaten überall da, wo sie sind. Das kann von der Taufe bis hin zur Trauerfeier alles sein.
Das Interview führte Hilde Regeniter.