Vor etwa einem Jahr war es ein Schock für viele Gläubige - trotz aller Vernunft, die an den Tag gelegt wurde: In der Zeit des ersten Lockdowns in Deutschland schlossen auch die Synagogen, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen. Am jüdischen Fest Pessach war es nicht möglich, dort zu beten und zum anschließenden Festessen mit Gemeindemitgliedern, dem Sedermahl, zusammenzukommen. Verwandte konnten sich nicht treffen. Man betete und aß in den Familien oder allein, oft verbunden über Skype und Zoom.
Auch das mittlerweile zweite Pessachfest in der Corona-Pandemie muss anders verlaufen. Pessach beginnt in diesem Jahr am Abend des 27. März und dauert bis 4. April. Zwar sind Synagogen seit Monaten wieder unter Hygiene- und Abstandsregeln geöffnet. Aber dass sich Verwandte und Freunde zu großen Feiern treffen, wird erneut nicht erlaubt sein. Immer wieder verweisen Rabbiner auf den religiösen Grundsatz Pikuach Nefesch, der bedeutet, dass der Schutz gefährdeten Lebens für Juden unbedingten Vorrang hat.
Rabbiner setzen aufs Digitale
Im Laufe der Pandemie sind auch in jüdischen Gemeinden Infektionen mit dem Virus vorgekommen, teils mit tödlichen Folgen. Hin und wieder mussten Einrichtungen einer Gemeinde vorübergehend geschlossen oder Gottesdienste in Synagogen ausgesetzt werden. Doch mehrheitlich haben Rabbiner der verschiedenen Strömungen versucht, mit neuen und digitalen Ideen Menschen vor den Bildschirmen zum Gebet, zu religiösen Studien oder verkleidet, lachend und lärmend zu Purim zu versammeln und gemeinsam aus überlieferten Texten zu lesen.
Manch ein Rabbiner unterhält digitale Formate, zum Beispiel über Youtube. Dort beten und musizieren sie, geben religiöse Impulse oder erklären Kindern einzelne Bräuche. Sie sind dabei in Synagogen zu sehen - oder offenbar auch mal in einem Kinderzimmer. Mitunter wurden Gottesdienste vorab aufgezeichnet. Die Rabbiner und ihre Mitarbeiter greifen zum Telefon, um sich nach Älteren in der Gemeinde zu erkundigen und verschicken Briefe und Newsletter. Eine Berliner Gemeinde verlegte wegen Platzproblemen unter den geltenden Abstandsregeln Gottesdienste zum Neujahrsfest Rosch Haschana und zu dem höchsten Feiertag Jom Kippur in eine weitläufigere evangelische Kirche.
Antisemitische Störungen in Streams
Nicht immer liefen die digitalen Alternativen problemlos ab: So kam es 2020 rund um den 20. April, Jahrestag des Geburtstages von Adolf Hitler, zu Störungen bei gestreamten Gebeten und Thorastunden. In einigen Fällen waren etwa plötzlich Hakenkreuze auf dem Bildschirm zu sehen oder antisemitisch motivierte Äußerungen aufgetaucht.
Digitale Angebote dürfte es vermutlich für die Dauer der Pandemie geben, um eine Verbindung unter den Gläubigen herzustellen. Und auch an diesem Pessach werden Freunde und Familien per Videoübertragung zusammenkommen. Am Ende des Sederabends wird der Satz gesprochen:
"Nächstes Jahr in Jerusalem." Gerade im vergangenen Jahr hatten viele damit auch im ganz konkreten Sinne eine Hoffnung auf physische Treffen verbunden - die sich jetzt kaum erfüllen wird.
Erinnerung an Auszug aus Ägypten
Pessach erinnert an das Wunder des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten. Im Gedenken an den Zug durch die Wüste wird während des achttägigen Festes nur ungesäuertes Brot gegessen. An Pessach sind Verzehr und Besitz von allem auf Getreide basierendem Gesäuerten verboten, Häuser und Wohnungen werden vorher gründlich gereinigt. Im Mittelpunkt der Feiern steht am Vorabend von Pessach das Sedermahl, bei dem die biblischen Passagen vom Auszug aus Ägypten gelesen und Speisen mit symbolischer Bedeutung gegessen werden.
Der Zentralrat der Juden und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland bieten auch in diesem Jahr "Pessach-Pakete" mit typischen Lebensmitteln und wahlweise einer Haggada, aus der am Sederabend gelesen und gesungen wird, an, die nach Hause geliefert werden. Und in einem Pessach-Impuls im aktuellen Mitteilungsblatt der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland regt die Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck angesichts des Aufbruchs an Pessach zu diesem Gedanken an, der gut zur Verfasstheit in der Pandemie passt: "Da, wo wir gerade (gefangen) sind, sind wir nicht gezwungen zu bleiben. Zieht heraus!"