Marx habe sich als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz in besonders profilierter Weise für Gerechtigkeit und Solidarität in der Gesellschaft eingesetzt, sagte eine Sprecherin am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. "Er hat sich für die Aufnahme von Geflüchteten eingesetzt, ist Populismus und Hetze entgegengetreten und hat zur Hilfe für Bedürftige in Deutschland und der Welt aufgerufen - unabhängig von Herkunft und Religion."
In einer Zeit zunehmender Polarisierung habe der Münchner Erzbischof damit zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Vermittlung zwischen Kirche und Gesellschaft beigetragen, so die Sprecherin weiter. Am Freitag hatten Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche wegen der Rolle des Kardinals bei der Aufklärung von Missbrauch gegen die Auszeichnung protestiert. In einem Offenen Brief forderte der Betroffenenbeirat des Erzbistums Köln den Bundespräsidenten auf, die Ehrung des Kardinals nicht vorzunehmen.
Bundespräsident hat klare Erwartungen zur Aufklärung
Das Bundespräsidialamt erklärte dazu, Steinmeier habe seine Erwartungen zur Aufklärung des massenhaften sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in der katholischen Kirche klar formuliert. "Dass Institutionen wie die katholische Kirche jahrzehntelang den Mantel des Schweigens über tausendfachen Missbrauch ausgebreitet haben und Kinder und Jugendliche meist allein und ohne Unterstützung standen, hat der Bundespräsident in seiner Rede anlässlich der Auszeichnung von Matthias Katsch und Pater Klaus Mertes kritisiert", so die Sprecherin.
Zugleich habe Steinmeier an die katholische Kirche und weitere Institutionen, in denen Kinder und Jugendliche Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, die Aufforderung gerichtet, Konsequenzen zu ziehen.
Steinmeier hatte am 8. April bei der Auszeichnung der beiden bundesweit bekannten Missbrauchsaufklärer, Jesuitenpater Klaus Mertes und Matthias Katsch, erklärt: "Eine Straftat verlangt Aufklärung. Und sie verlangt strafrechtliche Verfolgung. Es muss verhindert werden, dass derselbe Täter an immer neuen Orten immer neue Opfer findet. Gutes Zureden und Forderungen nach individueller Buße reichen nicht aus. Solche Fälle dürfen nie wieder nur als innere Angelegenheiten der betroffenen Institutionen, auch nicht der Kirchen, behandelt werden."
Betroffenenbeirat sieht Marx nicht als Aufklärer
Der Betroffenenbeirat hatte in dem Offenen Brief erklärt, es sei "nicht verständlich", dass Marx die Ehrung erhalten solle, weil dieser "nach wie vor in der Kritik steht, Fällen sexualisierter Gewalt in seinem früheren Bistum Trier nicht konsequent nachgegangen zu sein und dem man in diesem Zusammenhang Vertuschung vorwirft".
Darüber hinaus wird Marx in dem Brief vorgeworfen, er halte ein Gutachten zu Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum München und Freising, das 2010 habe veröffentlicht werden sollen, unter Verschluss.
Die angekündigte Ehrung stelle "alles in Frage, wofür wir kämpfen und arbeiten", heißt es in dem Schreiben, das Peter Bringmann-Henselder für den Betroffenenbeirat unterzeichnet hat und das nach seinen Angaben von den übrigen Mitgliedern abgezeichnet wurde. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Marx, der von 2014 bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz war, ist für Freitag geplant.
Betroffene wollen Bundesverdienstkreuz zurückgeben
Der Betroffenenbeirat erklärte, falls das Staatsoberhaupt Marx das Bundesverdienstkreuz trotzdem verleihe, sollten alle, "die für ihre Verdienste um die Opfer sexualisierter Gewalt bereits das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen haben, dieses zurückgeben".
Bringmann-Henselder verwies darauf, dass er selber Träger des Bundesverdienstkreuzes ist. Er werde diesen Orden zurückgeben, sollte es zur Verleihung an Marx kommen.