Vor 800 Jahren schickten die beiden Ordensgründer Dominikus und Franziskus Brüder hinaus in die Welt, um in Deutschland und Europa Niederlassungen zu gründen - es war der Beginn einer mittelalterlichen Erfolgsgeschichte. Beide Orden haben nicht nur eine neue Form der Seelsorge praktiziert, sie haben auch tiefe und nachhaltige Spuren in Kultur und Wissenschaft hinterlassen.
Leben in Armut - bei den Menschen
Die beiden großen Bettelorden unterschieden sich grundsätzlich in ihrer Lebensweise von den etablierten Orden: Sie lebten in Armut bei den Menschen, um deren Seelsorge sie sich kümmern wollten und sollten. Die Päpste Innozenz III. und Gregor IX. gewährten den Brüdern Unterstützung bei ihrer Mission. Beide sahen in ihnen trotz ihrer alternativen Lebensweise Garanten der Rechtgläubigkeit. Sie erhofften sich von den neuen Orden eine Umsetzung der Pastoralreform des IV. Laterankonzils (1215).
Auf dem Konzil mussten Papst Innozenz III. und die aus ganz Europa angereisten Konzilsväter eingestehen, dass die praktische Seelsorge für die Menschen in einem schlechten Zustand war. Was Not tat, war Männer zu finden, die durch Wort und Vorbild wirken konnten, also gut predigen und ein vorbildliches Leben führen. Diese Aufgabe fiel den Dominikanern und Franziskanern zu.
Mit päpstlichem Empfehlungsschreiben in der Tasche
Weil die ausgesandten Brüder so wenig gefällig aussahen - sie lebten schließlich in Armut - standen sie rasch im Verdacht, Ketzer zu sein, die man damals schnell auf den Scheiterhaufen schickte. Deswegen hatten sie päpstliche Empfehlungsschreiben an die jeweiligen Bischöfe in der Tasche, die ihnen ein freundliches Willkommen und Unterstützung garantieren sollten. Es sind noch rund 40 solcher Empfehlungsschreiben überliefert, die sich der Ordensgründer Dominikus zwischen 1218 und 1221 an der Kurie hat ausstellen lassen. Auch die Franziskaner machten davon Gebrauch.
Aber wie konnten die Brüder die Herzen der Menschen erreichen? Über Ablässe, die zu diesem Zeitpunkt gerade in Deutschland noch ein ganz neues, und vor allem begehrtes Mittel in der Seelsorge waren. Ursprünglich war der Ablass dafür gedacht, die Menschen bei der Ableistung ihrer Bußstrafen zu erleichtern. Anfang des 13. Jahrhunderts setzte sich der Glauben durch, man könnte Ablässe wie ein Sparguthaben ansammeln, um damit weniger Zeit im Fegefeuer zu verbringen, wo man sich nach dem Tod von den noch nicht abgeleisteten Bußstrafen reinigen musste.
Neu und aufregend
Die Bettelorden waren neu und aufregend, Ablässe waren neu und aufregend - zusammen revolutionierte das die Seelsorge. Die Menschen gingen nun bevorzugt zu den Dominikanern und Franziskanern, um dort eine gute Predigt zu hören, der Messe beizuwohnen oder ihre Beichte abzulegen. Im Gegenzug erhielten sie Ablässe. Die beiden Bettelorden als die bevorzugten Partner der Päpste etablierten eine völlig neue Form der Frömmigkeit - die Ablassfrömmigkeit.
Papst Gregor IX. unterstützte das Wirken der beiden neuen Orden, indem er Franziskus von Assisi, Antonius von Padua, Dominikus und Elisabeth von Thüringen sehr schnell heiligsprach. Sie sollten als Träger dieser neuen Frömmigkeit den Menschen ein Vorbild sein. Damit die Menschen dieser Heiligen umso mehr gedachten, gab es zur Verehrung an ihren Festtagen - Ablässe. Die Verehrung, die Gregor IX. Franz von Assisi entgegenbrachte, führte sogar dazu, dass die Kirche des Heiligen in Assisi über erheblich mehr Ablässe verfügte als die Kirchen in Rom. Das änderte sich erst Ende des 13. Jahrhunderts.
Mit Ablässen zum Erfolg
Mit der Hilfe von Ablässen konnten die beiden neuen Orden ihre Aufgabe erfüllen, die ihnen die Päpste zugedacht hatten, nämlich die Pastoralreform des IV. Laterankonzils umzusetzen. Sie waren dabei so erfolgreich, dass sich um 1270 die Bischöfe über die Konkurrenz beschwerten.
Bei den Franziskanern wurde ein Ablass zum unverhandelbaren Teil ihrer Ordensidentität: der Portiuncula-Ablass. Namensgebend für den Ablass wurde die kleine Kirche Santa Maria degli Angeli, auch Portiuncula genannt, die vor Assisi liegt. Auf Bitten des heiligen Franziskus soll Papst Honorius III. das außergewöhnliche Privileg gewährt haben, dass jeder, der die Kirche zwischen dem Abend des 1. und 2. Augusts besuchte, einen vollkommenen Ablass erhielt. Erstmals wirksam soll dieses Privileg 1216 gewesen sein. Durch den Ablass wurde Santa Maria degli Angeli zu einer der bedeutendsten Wallfahrtskirche in Europa. Der Ablass ist heute in jeder franziskanischen Kirche zu erlangen.
Was den Franziskanern der Portiuncula-Ablass ist, ist den Dominikanern der Rosenkranz - er ist ein ebenso wichtiger Teil ihrer Ordensidentität. Jakob Sprenger, der Prior des Kölner Dominikanerkonvents, verband 1475 den Rosenkranz mit der Ablassfrömmigkeit in Form einer Rosenkranzbruderschaft - ein Erfolg, nicht nur in Deutschland, auch über die Grenzen hinaus.