Einordnung der Visitationsankündigung im Erzbistum Köln

Gelbe Karte aus Rom?

Der Papst schickt zwei Apostolische Visitatoren ins Erzbistum Köln, um die aktuellen Vorfälle rund um die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und die dadurch verursachte Kirchenkrise im Erzbistum Köln zu überprüfen. Wie ist das einzuordnen?

Rainer Maria Kardinal Woelki / © Marcel Kusch (dpa)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Marcel Kusch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Anküngiung einer Apostolischen Visitation kam überraschend und ist ein nicht ganz gewöhnlicher Schritt. Was bedeutet das?

Ingo Brüggenjürgen (Chefredakteur von DOMRADIO.DE): Das ist in der Tat ein sehr außergewöhnlicher Schritt. Wenn zeitgleich um 12 Uhr in Rom und in Köln eine solche Nachricht verkündet wird, dann geht es im Normalfall um neue Bischöfe. Nun geht es auch um Bischöfe, denn jetzt kommen gleich zwei Bischöfe nach Köln, zwei Apostolische Visitatoren, zwei hochkarätige Kirchenmänner.

Zum einen ist dies Kardinal Anders Arborelius, der Bischof von Stockholm, von dem man wissen muss, dass er in Rom auch in der Kongregation für den Klerus sitzt. Dazu kommt der gewählte Vorsitzende der Niederländischen Bischofskonferenz, der Bischof von Rotterdam, Johannes H.J. van den Hende.

DOMRADIO.DE: Wie muss man sich eine solche Visitation vorstellen?

Brüggenjürgen: Die beiden Bischöfe werden zeitnah nach Köln kommen, ihre Zelte aufschlagen und dann sehr genau hinschauen und zuhören. Sie sind einzig und alleine dem Papst verpflichtet, an den sie nach Abschluss ihrer Visitation berichten werden. Diese Visitation ist alles andere als Routine, so wie wir das kennen, wenn zum Beispiel ein Bischof in die Gemeinden kommt, sich die Bücher anschaut und mit dem Pfarrgemeinderat und dem Kirchenvorstand spricht.

DOMRADIO.DE: Wie können denn die Apostolischen Visitatoren vorgehen? Wie ist das einzuordnen?

Brüggenjürgen: Um das ganz deutlich zu sagen: Das ist eine außerordentliche Prüfung, die weit mehr ist als eine Art Kassenprüfung. Dafür brauchte es nicht zwei höchstrangige, bewährte Kirchenmänner. Man kann das gar nicht anders sagen, als dass dies ein deutliches Signal aus Rom ist, auch des Misstrauens in die Amtsführung des amtierenden Erzbischofs. Da erhöht sich der Druck auf den Kölner Kardinal erneut. Der Papst will sich nicht nur auf Gutachten und seine Akten verlassen. Er will sich selber ein Bild machen und dafür schickt er jetzt seine Leute.

DOMRADIO.DE: Hat ein Apostolischer Visitator oder haben die beiden Apostolischen Visitatoren ganz besondere Vollmachten?

Brüggenjürgen: Ja, sie haben ganz besonders hohe Vollmachten, quasi umfassende Vollmachten. Sie haben Zugang zu allen Akten, zu allen kirchlichen Einrichtungen und können ihre Gesprächspartner und die kirchlichen Gremien selbstständig befragen und eigenständig im Auftrag des Papstes vor Ort das ganze Erzbistum und besonders die Amtsführung des Erzbischofs unter die Lupe nehmen.

Für gewöhnlich ist es so auch so, dass diese Visitation innerkichlich als erster Schritt für weitere Maßnahmen angesehen wird, die der Papst dann nach dem Bericht umsetzen oder anordnen kann.

DOMRADIO.DE: Wie hat denn Kardinal Woelki reagiert? Welche Optionen hat er jetzt?

Brüggenjürgen: Am Donnerstagabend hat der den Demonstranten, die ihm vor dem Besuch in der Düsseldorfer Pfarrgemeinde St. Margareta die rote Karte gezeigt haben, anvertraut: "Alles wird gut!"

Wir können, glaube ich, davon ausgehen, dass der Erzbischof von Köln auch schon seit einigen Tagen über diese Visitation informiert worden ist. Deshalb würde ich jetzt sagen, war das schon sein erstes Statement dazu. An diesem Freitag hat er dann noch klar gemacht, dass er natürlich gut mit den päpstlichen Kontrolleuren zusammenarbeiten wird und sie nach Kräften bei Ihrer Arbeit unterstützen wird.

Kardinal Woelki sieht sich selber in der Rolle des Aufklärers. Er hat Fehler zugegeben, ist aber der Ansicht, dass er sich nichts rechtskräftig Verbindliches vorzuwerfen hat. Ganz im Gegenteil. Er hat ja auch den Papst um Prüfung gebeten. Die erfolgt jetzt ganz intensiv. Allerdings vielleicht intensiver, als Woelki das selber vermutet hat.

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt also im Erzbistum Köln weiter?

Brüggenjürgen: Das Erzbistum bleibt im Krisenmodus und kommt nicht aus den Schlagzeilen. Köln gilt als die treueste Tochter Roms und an dieser Treue zu Rom hat der Kölner Kardinal nie auch nur den leisesten Zweifel aufkommen lassen.

Klar ist aber auch, dass der Kardinal jetzt zwar nicht wie am Donnerstagabend von Teilen der Basis in Düsseldorf die rote Karte gezeigt bekommen hat, aber eine gelbe Karte aus Rom. Das ist meiner Ansicht nach das deutliche Signal, dass man nun genauer hinschaut. Auch wenn die Kirche keine Videobeweise wie im Fußball kennt, so weiß der Kardinal jetzt schon, was das für ihn und für das Erzbistum bedeutet.

Also, langweilig wird es im Erzbistum Köln in den nächsten Tagen bestimmt nicht.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Ingo Brüggenjürgen (DR)
Ingo Brüggenjürgen / ( DR )
Quelle:
DR
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