Entwicklungsminister fordert gerechtere Verteilung von Impfstoff

"Nur weltweite Impfkampagne führt aus der Krise"

Politiker in Deutschland und Europa mahnen eine gerechtere Verteilung der Corona-Impfstoffe an. Zudem fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, weltweit mehr Produktionsstandorte für den Impfstoff zu erschließen.

Entwicklungsminister: Gerechtere Verteilung von Impfstoff nötig / © yurakrasil (shutterstock)
Entwicklungsminister: Gerechtere Verteilung von Impfstoff nötig / © yurakrasil ( shutterstock )

In ganz Afrika seien weniger als zwei Prozent der Menschen geimpft, ein Drittel der Entwicklungsländer habe noch keine einzige Impfdosis erhalten, sagte Müller den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).

"Es kann nicht sein, dass einige reiche Länder sich vier oder gar acht Impfdosen pro Kopf sichern. Diese Überkapazität global gerecht zu verteilen ist der schnellste Weg, um so viele Menschen wie möglich zu impfen."

Müller forderte, die Impfdosen so schnell wie möglich auch Risikogruppen in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Nur eine weltweite Impfkampagne führe aus der Krise.

Südafrika als Produktionsstandort

Zugleich rief der Entwicklungsminister dazu auf, die Herstellung von Corona-Impfstoffen weltweit auszubauen. So könne Südafrika zu einem Produktionsstandort für das gesamte südliche Afrika werden.

Die deutsche Entwicklungspolitik führe dazu bereits Gespräche und stelle zum Anschub eine Kreditfinanzierung bereit. "Das alles hilft mehr, als Patente einfach nur freizugeben", betonte Müller. "Denn dadurch wird noch keine einzige Impfdosis zusätzlich produziert."

"Impf-Apartheid" verhindern

Auch der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Josep Borrell, fordert "die Impflücke zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern" zu schließen. "Afrika importiert 99 Prozent seiner Impfstoffe. Das muss sich ändern", schrieb er in einem Gastbeitrag für die "Welt" (Montag). Zudem hätten bis heute nur 2,1 Prozent der Menschen in Afrika mindestens eine Dosis des Covid-19-Impfstoffs erhalten.

Um eine "Impf-Apartheid" zu verhindern, forderte der hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik "multilaterales Handeln auf globaler Ebene, um die Produktion von Impfstoffen zu steigern und ihre weltweite Bereitstellung zu beschleunigen".

"Einzige Möglichkeit, die Pandemie zu beenden"

Beim derzeitigen Tempo werde die ganze Welt nicht vor 2023 geimpft sein, so Borrell weiter: "Allerdings ist eine in großen Teilen geimpfte Weltbevölkerung die einzige Möglichkeit, die Pandemie zu beenden. Andernfalls ist es wahrscheinlich, dass vermehrte Varianten die Wirksamkeit der vorhandenen Impfstoffe untergraben."

Impfen sei auch eine Voraussetzung für die Aufhebung der Beschränkungen, unter denen Menschen in vielen ärmeren Ländern besonders zu leiden hätten: "Industriestaaten können sich stärker auf soziale Netze und wirtschaftspolitische Maßnahmen verlassen, um die Auswirkungen der Pandemie auf ihre Bürgerinnen und Bürger zu begrenzen."

"Gefahren einer Impfdiplomatie"

Bleibe die Impflücke bestehen, bestehe die Gefahr, dass sich der Trend der letzten Jahrzehnte zu weniger Armut und weniger globalen Ungleichheiten umkehre, mahnt der EU-Vize. Eine solche Dynamik könne die globale Konjunktur bremsen und geopolitische Spannungen verschärfen: "Die Kosten der Untätigkeit wären für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften mit Sicherheit viel höher als das, was wir gemeinsam aufwenden müssten, um die ganze Welt zu impfen."

Borrell warnte zugleich vor den Gefahren einer "Impfdiplomatie", die die Bereitstellung von Impfstoffen mit politischen Zielen verknüpft, und eines "Impfnationalismus", bei dem die Impfstoffe für den Eigenbedarf reserviert werden.

Alle Länder müssten außerdem "restriktive Maßnahmen vermeiden, die Impfstoff-Lieferketten beeinträchtigen. Auch müssen wir den Transfer von Wissen und Technologie erleichtern, damit mehr Länder Impfstoffe herstellen können. Wir ermutigen die europäischen Hersteller nachdrücklich, dies zu tun, insbesondere mit Blick auf Afrika."


Gerd Müller / © Rainer Jensen (dpa)
Gerd Müller / © Rainer Jensen ( dpa )
Quelle:
KNA