Vor einem Jahr besuchte Benedikt XVI. Regensburg

Ein öffentlicher Privatbesuch

Es kam für alle überraschend, als der emeritierte Papst am 18. Juni 2020 Deutschland besuchte. Um sich von seinem todkranken Bruder Georg zu verabschieden verbrachte Joseph Ratzinger fünf Tage in Regensburg – nicht ganz abseits der Öffentlichkeit.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. / © Sven Hoppe/dpa/Pool (KNA)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. / © Sven Hoppe/dpa/Pool ( KNA )

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die fünf Tage vom 18. bis 22. Juni 2020 die bewegtesten im Ruhestand von Benedikt XVI. gewesen sind. Seit seinem Rücktritt im Frühjahr 2013 hat Joseph Ratzinger sein Altersdomizil in den Vatikanischen Gärten nicht wirklich verlassen. Die erste Auslandsreise war für den 93-jährigen Emeritus aber nicht nur körperlich anstrengend. Ein Abschied sollte es werden von seinem Bruder, dem ehemaligen Domkapellmeister Georg Ratzinger, der in seinen letzten Lebenszügen lag.

Was bedeutet es aber, wenn ein emeritierter Papst den Vatikan verlässt? Diese Frage konnte niemand so recht beantworten, da solch eine "Papstreise" für alle absolutes Neuland bedeutete. Schnell machten aber der Vatikan und das gastgebende Bistum Regensburg klar: Dies ist kein Staatsbesuch, sondern ein Privatbesuch. Deshalb seien alle Beteiligten, wie auch Passanten und Schaulustige, gebeten die Privatsphäre der Ratzinger-Brüder zu respektieren. Am Anfang funktionierte das auch. Von den Planungen hat vorab kaum jemand etwas mitbekommen. Diakon Reiner Fleischmann, der den Fahrdienst für den emeritierten Papst übernahm, wurde erst am Abend vorher informiert, dass er sich darauf einstellen soll, eine "wichtige Person" zu chauffieren, wie er nach Ende des Besuchs im DOMRADIO.DE-Interview verriet.

Paparazzi und Bildrechte

Bei dem großen Interesse des ganzen Landes blieb es aber natürlich nicht ganz so still um den Besuch, wie es sich die Organisatoren gewünscht hatten. Fotografen verschiedenster Medien belagerten sofort die Regensburger Innenstadt. Der Bilderplattform "Getty Images" gelang es als erstes mit Teleobjektiven Fotos von Benedikt XVI. zu schießen, wie er im Rollstuhl ins Transportfahrzeug der Malteser befördert wurde. Aber darf bzw. sollte man solche Bilder veröffentlichen?

In die Kritik kam auch die deutsche Redaktion des offiziellen Vatikanmediums "Vatican News", die auf ihrem Twitterkanal die Getty-Bilder veröffentlichte. Noch am gleichen Tag wurde der Tweet aber wieder gelöscht, unter Verweis auf Urheberrechtsfragen.

Für den Vatikanexperten Ulrich Nersinger war das Vorgehen der Medien zwar unangenehm, aber verständlich, schließlich war das öffentliche Interesse nun mal da. Schon kurz nach Benedikts Ankunft sagte Nersinger gegenüber DOMRADIO.DE: "Man wird natürlich mit allen Möglichkeiten versuchen, an Bilder heranzukommen oder an Leute, die sich im Umkreis des Papa Emeritus bewegen, um sie zu interviewen."

Zeit mit dem Bruder - und Besuchern

Gewohnt hat Benedikt XVI. bei seinem Besuch im Regenburger Priesterseminar. Sein Hauptanlaufpunkt war aber das Krankenbett des Bruders Georg, das er mehrere Male während seines Aufenthalts besuchte. Dass Benedikt nur fünf Tage blieb, war am Anfang der Reise auch nicht klar. Es gab anfangs sogar Spekulationen, dass der emeritierte Papst auf absehbare Zeit in Deutschland bleibt – oder zumindest so lange, wie sein kranker Bruder noch lebt.

Ganz so privat, wie ursprünglich gedacht, blieb der Besuch dann allerdings doch nicht. Nicht nur Grüße und Schreiben (wie vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing) erreichten ihn, auch persönliche Besuche wurden im engen und anstrengenden Zeitplan des 93-jährigen noch untergebracht. Extra aus Berlin kam Erzbischof Nikola Eterovic, der Papstbotschafter in Deutschland. Zur Abreise am 22. Juni schaute auch noch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Flughafen vorbei - mit offiziellem Fototermin.

Nachwirkungen der Reise

Hat Benedikt das alles gut verkraftet? Gesundheitlich nicht wirklich. Bei der Reise hatte er sich eine "Gesichtsrose", eine schmerzhafte Infektion eingefangen, mit der er sich noch lange Wochen nach der Reise rumschlagen musste.

Der Papstbruder Georg Ratzinger verstarb dann nur wenige Tage nach dem Besuch seines Bruders, am 1. Juli 2020, was für Benedikts Zustand sicher auch nicht zuträglich war. Die Strapazen einer zweiten Reise zur Beerdigung konnte und wollte Benedikt XVI. anscheinend nicht auf sich nehmen und schickte in Vertretung seinen Privatsekretär Georg Gänswein nach Regensburg, der beim Verlesen der Abschiedsworte von Joseph Ratzinger an seinen Bruder sichtlich mit den Tränen kämpfen musste.

Papstreisen sind seit Johannes Paul II. für die Kirche nichts ungewöhnliches mehr, auch Papst Franziskus nutzt dieses diplomatische Mittel so intensiv, dass es inzwischen in gewissem Sinne Routine geworden ist. Die Reise, die im Juni 2020 stattfand, war aber alles andere als Routine – und wird sich sicher in dieser Art auch nicht so bald wiederholen.

Renardo Schlegelmilch


Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (l) winkt aus einem Bus zu den Schaulustigen vor dem Wohnhaus seines Bruders / © Armin Weigel (dpa)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. (l) winkt aus einem Bus zu den Schaulustigen vor dem Wohnhaus seines Bruders / © Armin Weigel ( dpa )

Der emeritierte Papst Benedikt XVI wird mit einem Rollstuhl in einen Bus geschoben / © Daniel Karmann (dpa)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI wird mit einem Rollstuhl in einen Bus geschoben / © Daniel Karmann ( dpa )

Der emeritierte Papst Benedikt XVI wird mit einem Rollstuhl aus einem Bus geschoben / ©  Armin Weigel (dpa)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI wird mit einem Rollstuhl aus einem Bus geschoben / © Armin Weigel ( dpa )

 Eine Nonne geht an dem Haus vorbei, in dem Georg Ratzinger, der Bruder des emeritierten Papstes wohnt / © Armin Weigel (dpa)
Eine Nonne geht an dem Haus vorbei, in dem Georg Ratzinger, der Bruder des emeritierten Papstes wohnt / © Armin Weigel ( dpa )
Quelle:
DR
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