"Es ist einfach ein gutes Gefühl, helfen zu können", sagt der 55-Jährige. Er spricht mittlerweile nicht nur sehr gut Deutsch, sondern hat längst auch verstanden, wie die Deutschen ticken, was ihre Mentalität von der der Bulgaren unterscheidet. "Wir Bulgaren haben ein südländisches Temperament. Wenn wir jemanden willkommen heißen, behandeln wir ihn wie einen König", erklärt Lazarow. Und so vermittelt er seinen Schützlingen - die er "Gäste" nennt - zum Beispiel auch, dass es nicht unbedingt mit ihnen persönlich zu tun hat, wenn Deutsche erst einmal verhalten reagieren.
Gemeinsam mit vier Kolleginnen bietet Yuriy Lazarow seine Dienste in einem Obdachlosen-Heim für Osteuropäer in der Kölner Südstadt an – er selbst auf Bulgarisch, die Kolleginnen auf Rumänisch, Polnisch, Russisch und Rom. Seit über zwei Jahren führt die Stadt Köln das Haus gemeinsam mit dem Sozialdienst katholischer Männer; über 120 Personen kommen zum Übernachten hierher, die meisten von ihnen stammen aus Polen, die meisten sind Männer.
Hilfe bei der Sprache und einfach mal zuhören
Weil aber auch sehr viele Gäste hier aus Rumänien und Bulgarien kommen, ist Yuriy Lazarov ein gefragter Gesprächspartner. Denn die meisten hier können entweder schlecht oder gar kein Deutsch und sind einfach nur froh, in ihrer Muttersprache über Sorgen und Problem zu sprechen.
Und Sorgen und Probleme haben diese Osteuropäer ohne festen Wohnsitz jede Menge. Sie haben dank EU-Freizügigkeit ihre Heimatländer auf der Suche nach Arbeit verlassen und nach Deutschland einreisen können, sind hier aber auf der Straße gelandet: Weil sie die Sprache nicht können, das System nicht verstehen und keinerlei Anknüpfungspunkte haben. Hinzu kommen persönliche Schicksalsschläge. "Auch wenn viele Geschichten sich ähneln, ist doch jede einzelne anders; traurig sind sie alle", weiß Yuriy Lazarov. Denn ihm erzählen die Betroffenen von gescheiterten Beziehungen, vom Tod naher Angehöriger, von Alkoholsucht und Ausweglosigkeit. Manchmal, sagt er, fühlt er sich tatsächlich wie ein Seelsorger.
"Für die obdachlosen Osteuropäer sind unsere Kulturmittlerinnen und Kulturmittler die ersten Ansprechpartner", sagt Angela Tonova, die deren Arbeit für die Caritas Köln koordiniert. Seit zwei Jahren machen Yuriy Lazarov und seine vier Kolleginnen den Job als Angestellte der Caritas, einige waren vorher schon als Ehrenamtler im Einsatz.
Hilfe bei Behördengängen
Sie übersetzen zum Beispiel, wenn Sozialarbeiter in die Einrichtung kommen, sie begleiten die Männer und Frauen zu Behörden, zur Botschaft oder zum Arzt. Und – ganz wichtig – sie übersetzen auch, wenn Berater die Leute über ihre Rechte und Pflichten aufklären; denn als Bürger und Bürgerinnen aus EU-Ländern genießen sie zwar die volle Freizügigkeit, haben aber keinen Anspruch auf Regelleistungen.
Eine psychologische oder pädagogische Ausbildung gehört nicht zwingend zum Jobprofil: "Sie bringen vor allem ihre Sprachkenntnisse ein, aber natürlich auch ihre Menschlichkeit und Lebenserfahrung", erklärt Angela Tonova. Sie betreut das Projekt für die Integrationsagenturen des Caritasverbandes der Stadt Köln und organisiert für ihre Leute immer wieder auch Fortbildungen zu Themen wie "Gewaltfreie Kommunikation" oder "Grenzen setzen".
Sprung in die reguläre Arbeit
Denn natürlich ist das, was Yuriy Lazarov und die anderen zu hören bekommen, oft belastend. Beflügelnd wird es dagegen, wenn sie tatsächlich dazu beitragen können, dass ein Bulgare, eine Polin oder ein Rumäne den Sprung von der Straße in eine reguläre Arbeit schaffen.
Wenn sich ein kleines Stück vom großen europäischen Traum erfüllt, nach dem sich doch alle EU-Bürgerinnen und Bürger überall in der Union ein neues Leben aufbauen können. Yuriy Lazarov selbst blickt allerdings skeptisch auf die Europäische Union: "Europa ist eine tolle Idee, aber wir bräuchten viel mehr Einheit."
Hilde Regeniter