Geht der Hirte voran, folgt die Herde. Als Papst Franziskus ankündigte, mit einem weltweiten synodalen Prozess eine Erneuerung der Kirche einleiten zu wollen, gab es allenthalben in der katholischen Welt freudige Zustimmung. Auch in Deutschland fühlten sich führende Kirchenvertreter bestärkt. Von einer Chance und von Rückenwind war die Rede. Trotzdem: Mit Blick auf den seit Ende 2019 laufenden Synodalen Weg zur Zukunft der Kirche in Deutschland herrscht eine gewisse Ratlosigkeit.
Viele Fragen und wenig Antworten
Die Corona-Krise hat den Dialog ausgebremst, die Debatten um die Aufarbeitung von Missbrauch prägen die Wahrnehmung. Und jetzt überholt das Kirchenoberhaupt im Vatikan die kritisch beäugte und ohnehin schon in unterschiedlichem Tempo marschierende Weggemeinschaft aus dem Land von Reformator Martin Luther. "Wo geht's jetzt lang?" lautet die Frage - auf die es bislang wenig konkrete Antworten gibt. Der Augsburger Bischof Bertram Meier warnt vor Hektik: "Warten wir ab, welche Auswirkungen der Impuls des Papstes hat, der für die ganze Welt wünscht, sich synodal aufzumachen". Jetzt gelte es, "nichts zu überstürzen, sondern uns einzuklinken in den weltweiten synodalen Prozess".
Zeit drängt
Meiers Mitbrüder halten sich bislang zurück. Bei ihrem bevorstehenden Ständigen Rat werden sie mutmaßlich erstmals in größerer Runde über eine gemeinsame Position beraten. Das Problem: Die Zeit drängt. Ende September steht in Frankfurt die zweite Synodalversammlung an. Sie ist das höchste beschlussfassende Gremium des Synodalen Wegs, das bislang nicht zuletzt wegen Corona noch keine echten Beschlüsse fassen konnte.
Schlagzeilen werden woanders bestimmt
Der Druck ist groß, wie die jüngste Synodale, die 17-jährige Johanna Müller einräumt: "Die Mitglieder des Synodalen Wegs stehen in der Pflicht, etwas zu liefern." Allerdings hänge die Zukunft von Kirche nicht nur vom Vorankommen bei dem Reformdialog ab, gibt sie zu bedenken, "sondern vielmehr von dem, was daneben geschieht - wie etwa die Geschehnisse im Erzbistum Köln". Mit anderen Worten: Die mitunter scharfen Diskussionen um Kardinal Rainer Maria Woelki beherrschen die Schlagzeilen - der Synodale Weg verliert dagegen immer weiter an Kontur.
Personelle Veränderungen
Hinzu kommt ein personeller Schnitt aufseiten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Präsident Thomas Sternberg, einer der maßgeblichen Initiatoren des Synodalen Wegs, wird im Herbst nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren und damit auch seinen Sitz im Präsidium des Reformdialogs verlieren. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx, der als damaliger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz das Projekt auf die Rampe schob, reichte gar ein Rücktrittsgesuch ein, was wiederum Papst Franziskus abschlägig beschied. Sicher ein Zeichen für die Wertschätzung, die Marx in Rom genießt. Aber auch eines für den Synodalen Weg?
Alternative Reformmethoden
Der vom aktuellen Bischofskonferenz-Vorsitzenden Georg Bätzing angeregte Austausch von deutschen Bischöfen und Laienvertretern in Rom hat jedenfalls immer noch nicht stattgefunden. Damit die Aufbruchstimmung vom Anfang nicht ganz auf der Strecke bleibt, schlägt Benediktinerpater Nikodemus Schnabel bereits vor, den Synodalen Weg in diesem Sommer buchstäblich ins Freie zu verlagern, anstatt sich in Sitzungen zu verlieren. "Wie großartig wären gemeinsame Wanderungen der Synodengänger*innen mit katholischen Gläubigen, denen der Sitzungskatholizismus fremd ist, die keine Begeisterung für Tagesordnungspunkte und Geschäftsordnungsanträge entwickeln können, aber sehr viel zu sagen haben, dem man unbedingt zuhören sollte!"
Alles zurück auf Anfang?
Eine ganz andere Richtung einschlagen will unterdessen die Theologin Katharina Westerhorstmann, selbst Mitglied der Synodalversammlung. Sie plädiert für ein vorläufiges Aussetzen des Weges - und einen Neuanfang im Rahmen der vom Papst angekündigten Weltsynode. Damit könne deutlich werden, "dass tatsächlich der deutsche Synodale Weg im Dienst der ganzen Kirche steht". Ein solcher Schritt allerdings würde wohl auch ein Stoppsignal für viele Reformdebatten wie etwa die über eine Zulassung von Frauen zum Priesteramt bedeuten.