Wenn US-Außenminister Antony Blinken am Montag zum Gipfel der Internationalen Koalition gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Rom erwartet wird, rollt auch der Vatikan dem Chefdiplomaten Joe Bidens den roten Teppich aus.
Ausgeschlossen ist es nicht, aber nach aktuellem Stand steht bisher keine Begegnung mit Papst Franziskus auf der Tagesordnung. In jedem Fall darf der mit einer Katholikin verheiratete Jude aber mit einem herzlichen Empfang durch enge Vertraute des Heiligen Vaters rechnen.
Schließlich teilen der Vatikan und die Regierung des erst zweiten katholischen US-Präsidenten in der Geschichte viele Prioritäten: von der gemeinsamen Sorge um die Schöpfung über den humanen Umgang mit Geflüchteten, die Überwindung von Armut und Rassismus bis hin zu einer fairere Verteilung des Wohlstands. Blinken wird auch über die Verteidigung der Religionsfreiheit sprechen. Lediglich beim Thema Abtreibung gibt es Differenzen über den straffreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen.
US-Bischöfe wollen mehrheitlich neues Lehrdokument
Der Zeitpunkt des Treffens im Herzen der katholischen Weltkirche ist delikat. Denn die US-Bischofskonferenz sucht an diesem einen Streitpunkt die Konfrontation mit dem praktizierenden Katholiken Biden - entgegen einer eindringlichen Warnung aus dem Vatikan. In offenem Widerspruch zu den Wünschen aus Rom stimmten am Freitag fast drei Viertel der US-Bischöfe für die Abfassung eines Lehrdokuments, das sich mit der Eucharistie befasst, aber als "Lex Biden" wahrgenommen wird.
"Aus meiner Erfahrung ist das ohne Vorbild", wertet der langjährige Berater der US-Bischöfe, John Carr, gegenüber dem "National Catholic Reporter" die direkte Provokation des Vatikan und die Bereitschaft der konservativen Mehrheit der Bischofskonferenz, die Einheit des Gremiums dafür aufs Spiel zu setzen. Zumal die ranghöchsten Kirchenführer in den USA, inklusive der vom Papst eingesetzten Kardinäle, gegen das Dokument gestimmt hatten.
Der für den Präsidenten zuständige Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory, hält nicht viel von einem Kommunion-Bann für Biden oder Kongress-Sprecherin Nancy Pelosi und wird ihn demnach nicht umsetzen. Da die Bischofskonferenz nach Kirchenrecht den Ortsbischöfen nichts anordnen kann, hat Biden allen Grund, gelassen zu bleiben und das Thema zur "Privatsache" zu erklären.
Nach Ansicht von Beobachtern schaden sich die Bischofskonferenz und deren Vorsitzender Erzbischof Jose Gomez mit dem offenen Ungehorsam gegenüber dem Papst vor allem selber. Der Versuch, das Dokument als bloße Hilfestellung für die Gläubigen zu verkaufen, die das Sakrament nicht mehr verstünden, wurde bei der Frühjahrstagung als unehrlich bewertet. Die Verfechter mussten einräumen, dass es das direkte Ergebnis einer Empfehlung der Arbeitsgruppe war, die Gomez zum "Problem Biden" nach dessen Amtseinführung im Januar eingesetzt hatte.
Sturm im Wasserglas?
Der Herausgeber des Online-Portals Crux, John Allen, vermutet, die Aufregung könne sich als Sturm im Wasserglas erweisen. "In der katholischen Kirche sind die Dinge selten so, wie sie erscheinen." So könnte das Kapitel zur "Eucharistie-Würdigkeit" am Ende sehr viel milder ausfallen, als sich die Hardliner erhoffen, meint der Beobachter.
Michael Sean Winters vom "National Catholic Reporter" (NCR) meint, der Konferenz-Vorsitzende Erzbischof Gomez habe jegliche Führung vermissen lassen. "Was wir bei der Frühjahrstagung erlebt haben, war empörend." Es habe nicht einmal das Bemühen um einen Kompromiss gegeben. Winters fragt, wie Gomez die Aufforderung des Papstes umsetzen wolle, einen synodalen Prozess auf die Beine zu stellen. Das Treffen habe das Niveau eines Debattierclubs in der Highschool gehabt. Sein Fazit: "Die US-Bischofskonferenz steht vor einem Scherbenhaufen".
Der ehemalige Kongressabgeordnete, Katholik und Biden-Verbündete Tom Perriello wertet den Beschluss der Bischofskonferenz in einem Gastbeitrag für die "New York Times" als "Betrug an einem gläubigen Präsidenten". Die Entscheidung illustriere, "warum die amerikanischen Bischöfe so oft allein dastehen".
Das Schweigen des Papstes zu der Provokation aus den USA spricht aus Sicht von Insidern Bände. Ein Lehrdokument mit einem expliziten Kommunion-Bann für Biden werde nicht die notwendige "recognitio", also den Segen des Papstes erhalten. Im Gegenteil dürfte Franziskus versucht sein, wenige Tage vor der Herbsttagung der US-Bischöfe im November ein klares Zeichen zu setzen, meinen Beobachter. Ende Oktober wird Joe Biden zum G20-Gipfel in Rom erwartet. Eine Audienz beim Papst gilt als so gut wie ausgemacht.