Die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs habe die in ihrem Gutachten behandelten Fälle "nicht ausreichend bearbeitet", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Pressemitteilung des Erzbistums zur Begründung. Die Kommission warf der Anwaltskanzlei vor, sie habe nicht ausreichend ihren Auftrag bearbeitet, "ob und gegebenenfalls durch wen und auf welche Weise Fälle sexuellen Missbrauchs im Bereich des Erzbistums Berlin vertuscht worden sind und ob und inwieweit die jeweils anwendbaren kirchlichen und kirchenstrafrechtlichen Regelungen eingehalten worden sind".
Dies habe dazu geführt, dass die Kommission einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit bislang "in die Bearbeitung des unzureichenden Teils des Gutachtens investieren musste". Deshalb könne sie eine "abschließende und zusammengeführte Bewertung" nicht vorlegen.
Nach eigenen Angaben befasste sich das Gremium aus jeweils drei Mitgliedern des Priesterrates und des Diözesanrats der Katholiken, der höchsten Laienvertretung im Erzbistum, mit fünf Fällen von Missbrauch durch Geistliche, die als "dringend" eingestuft worden seien, weil möglicherweise Gefahr in Verzug sei.
Anwälte sehen Auftrag erfüllt
Die Anwälte Peter-Andreas Brand und Sabine Wildfeuer erklärten dazu der KNA: "Unser Gutachtenauftrag ist vollständig und ordnungsgemäß erfüllt worden." Das Gutachten gehe "sogar hierüber noch hinaus". Die alleinige Fragestellung, ob jeweils kirchliche oder kirchenstrafrechtliche Regelungen eingehalten wurden, gehe an der Problematik des Skandals sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der katholischen Kirche vorbei, so die Anwälte. "Entscheidend ist auch die jeweilige moralische und Führungsverantwortung. Unser Gutachten hat die Fülle der Missstände aufgezeigt und benannt."
Zur Begründung ihrer Kritik betonte die Gutachten-Kommission weiter, sie habe weder das Fachwissen noch die Zeit für die ihr gestellte Aufgabe, mit Blick auf Missbrauchsfälle das Verhalten von Vorgesetzten der beschuldigten Geistlichen zu bewerten und disziplinarrechtliche Maßnahmen vorzuschlagen. Das Gremium empfahl, eine juristische Bewertung durch die Kanzlei Redeker Sellner Dahs nacharbeiten zu lassen oder eine weitere Kanzlei zu beauftragen.
Dazu erklärten die Anwälte: "Die Haltung der Gutachten-Kommission spricht vielmehr dafür, dass sie fachlich und personell entweder nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die notwendigen Aufarbeitungsschritte in Angriff zu nehmen." Es bedürfe "keines weiteren Gutachtens von externen Dritten, sondern der Umsetzung der Konsequenzen, die sich aus den von uns festgestellten schwerwiegenden Missständen ergeben". Die Anwälte, die nach eigenen Angaben von der Kritik erst von den Medien erfuhren, appellierten an die Kommission, ihre Arbeit "unverzüglich" fortzusetzen.
Teilweise geschwärzte Veröffentlichung
Die Kanzlei Redeker Sellner Dahs hatte das Gutachten im Auftrag des Erzbistums erstellt. Darin geht es um 61 Diözesanpriester und Ordensangehörige, die in einem Zeitraum seit 1946 des Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen beschuldigt werden. Am vergangenen Freitag hat das Erzbistum auch die Angaben zu den Einzelfällen, allerdings teilweise geschwärzt, auf seiner Homepage veröffentlicht.
Der Kommission stehen sie bereits seit Ende Januar zur Verfügung, als die Anwaltskanzlei ihre allgemeinen Schlussfolgerungen sowie Empfehlungen veröffentlichte. Sie befasste sich mit den im Gutachten angeführten Fälle 30, 39, 43, 48 und 58 als vorrangig zu bearbeitenden Fällen, da möglicherweise Gefahr in Verzug sei.