Kleine Chronik der "Erscheinungen" der ersten Tage

Was in Medjugorje 1981 geschah

Mehr als 40.000 Marienerscheinungen sollen sich seit Juni 1981 im Dorf Medjugorje ereignet haben. Welche sind authentisch, welche zweifelhaft? Rom ist nicht entschieden. Ein Blick zurück auf die ersten Tage.

Autor/in:
Johannes Pernsteiner
 (DR)

Die Ereignisse Ende Juni 1981 im Dorf Medjugorje im heutigen Bosnien-Herzegowina bereiten im Vatikan seit 40 Jahren Kopfzerbrechen. Die Berichte von Marienerscheinungen an damals 10- bis 16-jährige Jugendliche wurden bereits mehrmals von der Kirche geprüft, zuletzt 2010 bis 2014 von einer von Benedikt XVI. eingesetzten Kommission unter Vorsitz von Kardinal Camillo Ruini.

Der Bericht wurde Papst Franziskus vorgelegt, jedoch nicht veröffentlicht. Medienberichten zufolge halten 13 der 15 Kommissionsmitglieder die ersten sieben Erscheinungen für übernatürlich, während spätere Visionen - die laut den "Sehern" bis heute andauern - in Zweifel gestellt werden. Der folgende Überblick über die Anfangstage ist entnommen aus dem Interviewbuch "Ich schaute die Gottesmutter" von Vicka Ivankovic.

Medjugorje liegt im Karstgebiet der Herzegowina, auf einer fruchtbaren Ebene "zwischen Bergen" (so die wörtliche Bedeutung), auf der seit Jahrhunderten Wein und Tabak angebaut werden. Die Pfarrei ist seit 1599 erwähnt; dann verlieren sich die Spuren unter der türkischen Herrschaft, bis sie im 18. Jahrhundert neu errichtet und seit 1892 von den Franziskanern betreut wird.

Der katholische Glaube der Dorfbewohner galt stets als "unerschütterlich". Davon zeugen ein zwölf Meter hohes Betonkreuz von 1933 auf dem Gipfel des Berges Krizevac, das den Zweiten Weltkrieg ebenso wie den Kommunismus überdauerte, wie auch die großen Dimensionen der Pfarrkirche, errichtet 1934 bis 1969.

Der 24. Juni 1981

1981 beginnt ein neues Kapitel für den Ort eine halbe Autostunde südlich von Mostar. Am Mittwoch, 24. Juni, feiert die Gemeinde das Fest Johannes des Täufers, als zwei Teenager, Mirjana Dragicevic und Ivanka Ivankovic, laut eigenen Berichten beim Spaziergang aus der Ferne am Berg Podbrdo eine Lichtgestalt über dem Boden schweben sehen und sie als "Gospa" ("Herrin", Bezeichnung für die Jungfrau Maria) bezeichnen.

Statt sich ihr zu nähern, helfen sie einer Freundin, die Schafe nach Hause zu treiben, wobei sie die Gestalt wieder erblicken, diesmal mit einem Kind im Arm. Am Nachhauseweg begegnen sie drei weiteren Jugendlichen - Vicka Ivankovic, Ivan Dragicevic und Ivan Ivankovic - die ebenfalls später angeben, die Erscheinung gesehen zu haben.
Zuhause glaubt man ihren Berichten nicht, sondern lacht sie aus und ermahnt sie, lieber zu schweigen und nicht mit religiösen Dingen zu spaßen.

Der 25. Juni 1981

Am Folgetag, 25. Juni, gehen die Jugendlichen zur selben Zeit an die gleiche Stelle. Statt Ivan Ivankovic haben sich der damals erst zehnjährige Jacov Colo und Marija Pavlovic dazugesellt, die ihnen glauben. Sie berichten später, erneut die Erscheinung gesehen zu haben, die sie zu sich winkt. Die Kinder beschreiben sie als wunderschöne Frau, beten mit ihr und erfahren, dass es Ivankas zwei Monate zuvor gestorbener Mutter gut gehe; die Gestalt habe versprochen wiederzukommen.

Erscheinung auch am dritten Tag

Am dritten Tag, es haben sich bereits viele Menschen versammelt, soll der Himmel dreimal aufgeleuchtet und eine mit Steinen und Dornbüschen kaum zugängliche Stelle erhellt haben. Erneut soll die Erscheinung gekommen sein, die von Vicka mit Weihwasser und Salz besprengt wird und sich als "selige Jungfrau Maria" bezeichnet habe. Ihr Hauptanliegen sei der Friede zwischen Gott und den Menschen sowie unter den Menschen, habe sie gesagt.

Die Ereignisse sorgen für Aufsehen und Unruhe; auch der kommunistischen Behörden, die die Jugendlichen als Lügner und Drogensüchtige bezeichnen. Am vierten Tag werden die «Seher» in der Bezirksstadt Citluk verhört und medizinisch untersucht, ehe sich am Abend die Erscheinungen wiederholen.

Berichte sorgen für Aufsehen und Ungläubigkeit

Am Folgetag, Sonntag, werden sie vom nur sporadisch im Dorf befindlichen Pfarrer Jozo Zovko, der ihren Berichten skeptisch gegenübersteht, im Pfarrhaus befragt. Bereits 15.000 Menschen aus der Gegend bevölkern am Abend den Berg. Am nächsten Tag werden die Jugendlichen von Beamten zu einer psychiatrischen Untersuchung nach Mostar gebracht, doch stellt die untersuchende Ärztin nur fest, dass die Kinder gesund und psychisch normal seien. Trotz Einschüchterungen bleiben sie bei ihrer Aussage. Abends habe die "Gospa" auf Anfrage den Jugendlichen gesagt, sie werde so lange weiter kommen, wie diese es wollten.

Am siebten Tag versuchen Dorfangehörige, die "Seher" unter dem Vorwand eines Ausflugs wegzulocken, damit sie nicht abends an der Erscheinungsstelle seien. Die Vision soll dennoch stattgefunden haben - zur üblichen Zeit am Rand der Straße. Am achten Tag (1. Juli) werden die Eltern von den Behörden bei einem Gespräch in der Schule angehalten. Sie sollten ihren Kindern den Gang auf den Berg verbieten; sonst werde man sie für krank erklären. Abends kommen die Gemeindebediensteten zu den Kindern und zwingen sie in ein Auto.

Pfarrer ändert seine Haltung

Eine Wendung nehmen die Ereignisse am neunten Tag: Pfarrer Zovko kommt wieder in den Ort und ist zunächst besorgt über die "Leichtgläubigkeit" der Menschen, die auf den Berg statt in die Kirche kommen. Er glaubt, die Jugendlichen seien von den Kommunisten angestiftet worden, um die Kirche lächerlich zu machen und in Verruf zu bringen. Nach einem Gebet in der Kirche vernimmt er eine innere Stimme, die ihn anweist, die Kinder zu beschützen.

Vor der Tür begegnet er ihnen, wie sie gerade von der Polizei verfolgt werden, und versteckt sie im Pfarrhof. Von da an bewacht eine Volksmiliz den Berg und verwehrt den Gläubigen den Zutritt. Die Kinder erleben die Begegnungen mit der "Gospa" in ihren Häusern, später in einer Seitenkapelle der Kirche und dann im Pfarrhof. Der Pfarrer hält sie nach ausführlichen Gesprächen mit ihnen nun doch für glaubwürdig. Er ruft die Pfarrei zu dreitägigem Fasten, Gebet und Bibellesen auf.

Die Ereignisse bewirken bei vielen Pfarrangehörigen von Medjugorje eine intensive Hinwendung zum Glauben. Viele von ihnen öffnen später ihre Häuser, um Pilger aus aller Welt aufzunehmen. Unterdessen geht das harte Vorgehen durch die kommunistischen Behörden weiter. Während es in den Folgejahren für den Ort zahlreiche Restriktionen und für die "Seher" weitere Untersuchungen und Befragungen gibt, wird der Ortspfarrer Zovko wegen seiner Unterstützung der "Seher" ab 16. August gefoltert und bis Februar 1983 inhaftiert. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erwähnt ihn in ihrem Jahresbericht 1982 als pazifistisch Verfolgten.


Quelle:
KNA