Caritas warnt vor Armutsspirale

"Sozialpolitisch hoch bedenklich"

Caritaspräsident Peter Neher hat von Politik und Zivilgesellschaft mehr Engagement bei der Überwindung von Armut gefordert. "Es ist sozialpolitisch hoch bedenklich, dass es vielen Menschen nicht gelingt, aus der Armutsspirale auszusteigen", so Neher.

Schriftzug "Armut!" an einer Wand / © Jens Kalaene (dpa)
Schriftzug "Armut!" an einer Wand / © Jens Kalaene ( dpa )

Er äußerte sich am Freitag in Berlin.anlässlich der Beratung des Sechsten Armuts- und Reichtumsberichtes im Bundestag. Die Menschen bräuchten niedrigschwellige Angebote in allen Regionen in Ost- und Westdeutschland. Dringend müsse die soziale Daseinsvorsorge als Angebot der Armutsprävention ausgebaut werden.

Warnung vor sozialem Filter und Folgen der Corona-Pandemie

Große Sorgen bereite ihm vor allem der hohe Anteil von Jugendlichen, die sich auch im jungen Erwachsenenalter nach Abschluss der Schule in derselben schlechten sozialen Lage wiederfinden wie ihr Elternhaus, sagte Neher. "Der Übergang von der Schule ins Erwerbsleben darf nicht zum Nadelöhr im Lebenslauf werden", mahnte er. Die Orientierung auf dem Arbeitsmarkt müsse auch für die Jugendlichen gelingen, die bislang vor allem Armut und Langzeitarbeitslosigkeit kennengelernt hätten.

"Gerade unter den Bedingungen der Pandemie war das letzte Schuljahr und die Suche nach einem Ausbildungsplatz erheblich erschwert", betonte Neher. Aus ihnen dürfe keine "Generation Corona" werden, "in deren Erwerbsbiografie die Spuren der Covid-Krise dauerhaft nachwirken". Besorgniserregend sei auch die hohe "Sockelarbeitslosigkeit und die mangelnde Förderung von Langzeitarbeitslosen und ihren Familien".

Forderung nach Reform der Grundsicherung und Förderung

Neher forderte von der kommenden Bundesregierung, die Grundsicherung so zu reformieren, dass Langzeitarbeitslose einen Zugang zu guter Beratung und passgenaue längerfristige Förderung erhalten. In der Arbeitsmarktpolitik gehöre die Qualifizierung, Weiterbildung und Umschulung ins Zentrum, damit Menschen bei der Digitalisierung der Arbeitswelt nicht zu Verlierern würden.

Zugleich beklagte Neher, dass das Bildungs- und Teilhabepaket nicht dort ankomme, wo es gebraucht werde. Grundsicherungsempfänger seien stark in der sozialen Teilhabe eingeschränkt. "Wir wissen aus unserer Beratung, dass das Bildungs- und Teilhabepaket viel zu wenig bei Kindern und Jugendlichen ankommt. Hier ist der Staat jetzt in einer Bringschuld", unterstrich Neher.

Zunehmender Anteil der Reichen und Armen 

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) beklagte Kinderarmut in Deutschland. "In den letzten fünf Jahren ist sowohl der Anteil der Menschen, die in Armut leben, als auch die Gruppe der Reichen, gewachsen. Die Mitte ist geschrumpft. Für immer mehr Menschen wird die Lage prekär", kritisierte SoVD-Präsident Adolf Bauer anlässlich des "Armuts- und Reichtumsbericht".

Die neue Bundesregierung stehe vor diversen Herausforderungen. Eine davon bestehe darin, Armut, insbesondere Kinderarmut, effizient zu bekämpfen. Der SoVD setze sich für die Einführung einer Kindergrundsicherung ein. "Alle Kinder sollten dem Staat gleich viel wert sein. Denn es geht um gleiche Chancen zur Teilhabe und gleiche Chancen zur Potenzialentfaltung", so Bauer. Zudem führe der steuerliche Kinderfreibetrag zu Ungleichbehandlung. Konkret forderte der Verband, "verlässliche, qualitativ hochwertige sowie bedarfsgerechte Ganztagsbetreuung, Kitaausbau, kostengünstigen Zugang zu Schwimmbädern sowie Musik- und Sportvereinen".


Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes  / © Harald Oppitz (KNA)
Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA