Ausruhen, die Seele baumeln lassen, den Gedanken ihren Lauf lassen - nichts leichter als das, könnte man meinen. Dennoch haben viele Menschen Probleme, wirklich zur Ruhe zu finden. Das belegt die rege Teilnahme an einer Online-Studie zum Thema Ausruhen. 18.000 Menschen aus 135 Ländern standen jeweils 40 Minuten Rede und Antwort darüber, wie und wobei sie am besten zur Ruhe kommen. Die große Teilnahmebereitschaft deutet die britische Psychologin Claudia Hammond als Indiz, dass die Schwierigkeit auszuruhen weltweit "ein akutes Problem" sei.
Hammond erforschte mit einem interdisziplinären Team zwei Jahre lang die Umstände, die Menschen zum Ausspannen brauchen. Die Erkenntnisse aus der digitalen Ruhe-Studie flossen darin ein und sind unterhaltsam aufbereitet in Hammonds Buch "Die Kunst des Ausruhens".
Komplexe Angelegenheit
Schnell wird klar: Ausruhen klingt banal, ist aber eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Zur Ruhe finden Menschen nur, wenn die dafür vorgesehene Zeit wohldosiert ist - nicht zu kurz, aber auch nicht zu lang. Selbst Mikropausen von 10 Sekunden - ein Blick aus dem Fenster, ein Zurücklehnen am Schreibtisch - zeigen laut Hammond bereits Wirkung. Freiwillig gewählte Ruhepausen versüßen das Leben; erzwungene Auszeiten können mürbe und depressiv machen. Reines Nichtstun ist für manche quälend und wenig erholsam - sie puzzlen lieber zur Entspannung, stricken oder malen Mandalas aus.
Ebenso hinderlich ist das Kopfkino, das oft einsetzt, wenn man sich einmal entspannt niedergelassen hat: Sofort packt einen beim Blick auf die Pflanze, die dringend umgetopft werden müsste, das schlechte Gewissen. Oder es fallen einem andere Dinge ein, die noch dringend erledigt werden müssen. Hammond bezeichnet es als Irrglauben, dass man meint, nur dann entspannen zu können, wenn die to-do-Liste abgearbeitet ist. Solch ein "Zustand der Seligkeit" werde im Alltag nie erreicht. Das Problem: Sind die einen Dinge erledigt, tauchen umgehend neue Herausforderungen auf. Vielleicht ein Grund, warum wir am Urlaubsort - ohne Dinge, "die der Erledigung harren" - oftmals besser entspannen.
Nicht selten torpediert der unruhige Geist den Wunsch nach Nichtstun. Denn das menschliche Gehirn ruht nie: Dort gibt es laut Hammond bestimmte Areale, die standardmäßig aktiv seien, wenn das Gehirn nichts anderes zu tun hat. Um das Gedankenkarussell in geordnete Bahnen zu lenken - und damit letztlich zur ersehnten Ruhe zu kommen-, könne paradoxerweise körperliche Aktivität helfen: Spazierengehen, Gartenarbeit oder Joggen beispielsweise. "Manche kommen durch das Auspowern des Körpers durch einen anstrengenden Sport gedanklich zur Ruhe, und sie erholen sich durch körperliche Aktivität."
Bücher lesen ist beliebteste Ablenkung
Für Hammond umfasst das Ausruhen alle subjektiv als erholsam empfundenen Tätigkeiten, denen man im wachen Zustand nachgeht. Damit ist klar - die Vorlieben können höchst individuell sein. "Ausruhen ist alles, was der Einzelne als Ausruhen betrachtet", schreibt Hammond, die auch Radiomoderatorin bei der BBC ist. In ihrem Buch stellt sie, als Ergebnis der Online-Befragung, die Top 10 der beliebtesten Arten des Ausruhens vor.
So schafft es das Fernsehen auf Platz 9, "einfach das Gerät ein- und das Gehirn ausschalten". Früher hätten die Menschen schweigend an der Feuerstelle zusammen gesessen und in die Flammen gesehen; heute biete das Fernsehen eine ähnlich erholsame Ablenkung. "Erholung in seiner reinsten Form" stellt ein heißes Bad, die Top 7, dar. Das könne man mit gutem Gewissen genießen, ist doch Körperpflege "gewissermaßen eine Notwendigkeit".
Wenig verwunderlich, dass es "ein langer Spaziergang" auf den 6. Rang und das reine Verweilen in der Natur - "eine der klassischen Fluchten aus dem Alltag" auf Platz 2 geschafft haben. Als erholsamste Beschäftigung überhaupt erwies sich im Ranking das Lesen. Bücher lenkten Bücher den Blick in andere Erfahrungswelten und ermöglichten es damit, "unserer eigenen Welt zu entfliehen".
15 Minuten Pause an stressigen Tagen
Hammond regt an, selbst herauszufinden, was den persönlichen Energiespeicher wieder auffüllt. Besonders an stressigen Tagen rät sie, wenigstens 15 Minuten lang das zu tun, was einen am besten zur Ruhe kommen lässt. Ohnehin sollten täglich drei bis vier bewusste, wenige Minuten umfassende Pausen drin sein.
Von Angelika Prauß